Wie weiter mit der EU-Öko-Verordnung?

Landwirtschaft

EU-Parlament mit 1.200 Änderungsanträgen für Öko-VO

Der Kompromiss im EU-Agrarrat hat die auseinanderliegenden Positionen nicht einander näher gebracht. Er kam zustande, weil einige Länder auf ihre ausführlichen Verbesserungswünsche verzichtet haben [1]. Damit hat der Agrarrat nicht mehr als eine Grundlage für das Europaparlament geschaffen, das in dieser Woche gleich mit Vollgas in die Arbeit einstieg. Zu den 352 Änderungsanträgen des Grünen-Abgeordneten Martin Häusling wurden am Montag weitere 900 aus dem Parlament eingereicht. Mit gut 1.200 Änderungsanträgen ist der Arbeitsumfang ähnlich groß wie die der zur Gemeinsamen Agrarpolitik GAP. Dort gab es zu vier Gesetzesvorlagen 1.700 Änderungsanträge.

„Das ist nicht wenig“, bekannte Martin Häusling am Dienstag in Berlin. Aber daraus speist sich sein Optimismus, dass aus der EU-Ökoverordnung am Ende doch noch etwas Gutes werden kann. Der Fahrplan sieht eine Abstimmung im Agrarausschuss im September vor, so dass die Triloge mit Rat und Kommission bis Ende 2015 beendet sein könnten. Die endgültige Abstimmung im EU-Parlament fände dann Ende 15 oder Anfang 2016 statt.

Hausaufgaben. Grenzwerte

Bis dahin muss die Endkontrolle vom Tisch. Die vorgeschlagenen eigenständigen Grenzwerte für Bioprodukte sind kein Markenzeichen des Biolandbaus. Dieser resultiert aus der ihm eigenen Produktionsverfahren, so dass Bio sich weiterhin über den Prozess definiert. Das Marketing der Branche ist aber noch anders. So bewarb der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft das Biogemüse aus dem Lebensmittelmonitoring Baden-Württembergs mit der Kennzahl: 320fach weniger Pestizidbelastung als konventionelle Produkte. Wer so wirbt, sollte keine Angst vor eigenen Grenzwerten haben. Da gebe es Nachbesserungsbedarf, gestand Dr. Alexander Beck vom BÖLW gegenüber Herd-und-Hof.de ein. Mehr Sorgen mache sich die Branche darüber, so Beck weiter, dass Grenzwerte als alleiniges Unterscheidungsmerkmal zwischen Bio und konventionell genutzt werden. Dann würde auch ein konventionell arbeitender Betrieb, der die niedrigeren Grenzwerte einhielte auf einmal Bio zertifiziert werden. Umweltfreundliche Bewirtschaftungsmethoden sind aber schwieriger zu kommunizieren [2].

Ökosaatgut

Das Thema ökologische Züchtung bei Pflanzen und Tieren ist alt. Erst vor kurzem haben zwei Ökoverbände sich für eine praktische Umsetzung in der Geflügelzucht zusammengeschlossen [3]. Züchtung ist teuer und langwierig. Im Ökobereich kommen fehlende Ausgangs-Populationen hinzu. Ökobauern beklagen die schwindende Zahl samenfester Sorten im Gemüsebau. Daher gilt der Kommissionvorschlag, ab 2021 nur noch Ökosaatgut verwenden zu dürfen, als unrealistisch. Vor allem in kleineren EU-Ländern haben einzelne Betriebe kaum die Möglichkeit auf regionale und Ökoquellen zurückzugreifen. Strittig ist allerdings, ob diese Regelung in der Öko-Verordnung richtig angesiedelt ist und nicht besser in der Saatgutverordnung aufgehoben wäre.

Kontrollen

Martin Häusling möchte an den jährlichen Kontrollen festhalten, weil genau das den Verbrauchern Sicherheit gibt. Ein Wechsel auf risikoorientierte Kontrollen lehnt die Branche ab. Der Platz für die Kontrollvorschriften im Ökobereich solle auch in der Öko-Verordnung bleiben und nicht in die allgemeine Lebensmittelkontrollverordnung ausgelagert werden.

Wann ist Bio Bio?

Zumindest in Deutschland ist die Biobranche alles andere als einheitlich. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft kritisiert die großen Ökobetriebe in Ostdeutschland als „Agro-Bio-Industrie“; der filialisierte Handel macht den ursprünglichen Bio-Ladnern schwer zu schaffen [4]. Martin Häusling möchte daher die „Konventionalisierung“ der Biobranche korrigieren. Für den Bereich der Tierhaltung schlägt er Bestandsobergrenzen von 200 Sauen, 1.500 Mastschweinen und 12.000 Legehennen vor. Bei den Legehennen zeigt sich ein Problem: So soll ein Stall mit nicht mehr als 3.000 Hennen belegt werden. Um aber die Zahl der Ställe pro Betrieb zu begrenzen schiebt die Höchstgrenze 12.000 Hennen pro Betrieb dem Wachstum einen Riegel vor.

Das ist strittig in der Branche. Herd-und-Hof.de hat Martin Häusling gefragt, ob eine Begrenzung nicht auch für den Handel und die verarbeitenden Betriebe gelten müssten? Hier steht, so Häusling, die Branche in der Verantwortung, zu definieren, was bio genau ist. Ein Nachholbedarf, der wenig Horizont auf für eine Lösung bietet. Die Ergebnisse der DAFA-Forschungsstrategie werden zum Jahresende Aufschluss geben, ob das Thema weiter beleuchtet wird.

Öko-Agentur

Die EU-Ökoverordnung gilt seit 1991 und hat in den Jahren 2007 und 2008 eine Revision erfahren. Nach Dr. Beck hat es beispielsweise den Fehler gegeben, dass Auslandskontrollstellen nicht zusätzlich überprüft werden. Um diesen Fehler zu korrigieren, um 60 verschiedene Importstandards für Bioprodukte in die EU zu harmonisieren, für den Austausch an Informationen über Bio-Betrug oder unerlaubte Funde zwischen den EU-Mitgliedsstaaten soll auf Wunsch von Häusling eine übergeordnete „Öko-Agentur“ als Clearingstelle eingerichtet werden. Dieser Dreh- und Angelpunkt sei keine Oberkontrolle, sondern vereinheitliche Daten, Reaktionswege und Aufgaben. Vorbild ist die Europäische Fischereiagentur, die den Überblick über die Fischereipolitik behält.

Auch wenn dieser Vorschlag mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium und dem Deutschen Bauernverband in Deutschland ein breites Bündnis findet, so wehre sich laut Häusling der EU-Agrarkommissar Phil Hogan dagegen. Jede neue Stelle koste Geld und brauche Personal. Zumindest ist die Öko-Agentur jetzt im Parlament im Gespräch.

Erwartungen

Wie auch immer die Ökoverordnung am Ende aussehen mag: Ein Garant für Wachstum im Biobereich kann sie nicht sein. In Österreich sind 21 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe umgestellt. Das liegt an engagierten Bauern, einer funktionierenden Vermarktung über die Agrarmarketing Austria und dem politischen Willen im Wiener Landwirtschaftsministerium.

Lesestoff:

[1] Rat verlässt sich bei EU-ÖKO-Verordnung auf Parlament

[2] Die Deutsche Agrarforschungsallianz (DAFA) arbeitet nicht nur an der Grundlagenforschung über das System Ökowirtschaft, sondern auch an einem Kommunikationsprozess

[3] Verbände steigen in die Geflügelzüchtung ein

[4] Ausverkauf durch Alnaturas Expansion

Roland Krieg

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