Wilde Pläne mit dem Wildschwein

Landwirtschaft

Es gibt keinen Wildschweinmarkt mehr

DJV auf der Grünen Woche 2018

Die Rechnung des Deutschen Bauernverbandes klingt zwar plausibel und nach vorgeblich zweijährigen Recherchen bei Jägern, Wissenschaftlern und Bauern auch noch fundiert – doch je tiefer nachgeschaut wird, desto unsinniger wird die Forderung, 70 Prozent des Wildschweinbestandes als Vorbeugung gegen die Afrikanische Schweinepest  (ASP) zu erlegen [1].

Seit Jahren machen Jäger Werbung für Wildbret. Die Grüne Woche ist dazu besonders geeignet. Jäger Erich Einecke betreibt eine Gaststätte mit Wildgastronomie und ist Jäger in einem an das nördliche Berlin angrenzende  Revier. Er weiß, wie langsam der Markt für Wildbret bearbeitet werden muss und freut sich heute über viele treue Stammkunden aus allen Berliner Stadtbezirken. Mit einer Broschüre klärt er Städter über Wildbret auf, vermittelt Tipps und Tricks für die richtige Zubereitung und steht während der Grünen Woche allen Besuchern am Stand des Deutschen Jagdverbandes (DJV) in der Halle 4.2 bei einem leckeren Wildgericht Frage und Antwort. Mehr Wild wird er künftig aber nicht zubereiten, berichtet er gegenüber Herd-und-Hof.de.

Zum einen war der letzte Ausbruch der ASP in Tschechien durch unachtsam weggeworfene Lebensmittel verursacht, zum andern verbreiten Fahrzeuge das Virus schneller und weiter als die Wildschweine. Eriche Einecke schüttelt aber nicht nur deshalb über die Wildsau, die im übertragenen Sinne durch das politische Dorf getrieben wird. Der Deutsche Bauernverband hätte erfahren können, dass es keinen Markt für Wildbret außerhalb der Direktvermarktung gibt.

Am Ende dürfen nur Jäger zur Jagd auf die Wildschweine in Feld und Flur. Vielleicht auch bald mit Nachtsichtgeräten und halbautomatischen Waffen. Was sie nicht selbst vermarkten können, verkaufen sie an den Wildtierhändler, der größere Mengen an die Verarbeitungsindustrie verkauft. Bislang jedenfalls. Dieses Ende der Wertschöpfungskette hat schon länger den Markt dicht gemacht, erklärt Einecke. Die Verarbeiter wissen, dass die Menschen keine Wildschweinfleisch mehr essen, sobald das Virus erstmals in Deutschland gefunden wird. Auch wenn es dafür keinen Grund gibt. Also bricht der Markt für Wildschweinbret in sich zusammen. Und schon heute kaufen die Verarbeiter den Wildtierhändlern keine Produkte mehr ab. Der Markt sei also schon zusammengebrochen. Falls also 70 Prozent der Wildschweinpopulation abgeschossen werden sollen, wird es nach Erich Einecke keinerlei Vermarktungschance mehr geben.

Außerdem: Wie viele Wildschweine in Deutschland wirklich leben, lässt sich nur anhand der Jagdstrecke abschätzen. Mit knapp 600.000 Wildschweinen haben die Jäger im Jagdjahr 2016/2017 nicht nur einen neuen Streckenrekord erreicht, sondern bei einer Wildschweinpopulation von einer Million Wildschweinen die 70 Prozent schon fast erreicht. Im Vergleich dazu lag die Jagdstrecke Ende der 1930er Jahre im deutlich größeren Deutschen Reich bei gerade einmal 40.000 Wildschweinen pro Jahr.

Einecke weist auf die vielen selbst verschuldeten Ursachen für eine hohe Wildschweinpopulation hin. Mais und milde Winter haben die Rottenstruktur bei den Wildschweinen so verändert, dass sie nicht mehr nur einmal, sondern mehrmals im Jahr Frischlinge werfen. Das ganze Jahr über werden unterschiedliche Größen im Wald angetroffen.

Dem Problem ASP fehlt also trotz „Runder Tische“ immer noch ein Gesamtkonzept und die Politik fühlt sich offenbar durch die hohe Wertschöpfung im Hausschweinemarkt zu allgemeinen Panikreaktionen verpflichtet. Aber auch die Jagdgegner sind vor „Hirngespinsten“ nicht gefeit, wie der Deutsche Jagdverband die Idee von Tierrechtlern bezeichnete, eine Art von Anti-Baby-Pille auszulegen, um das Wildschwein-ASP-Problem zu verringern. Diese Idee „ist eine Utopie, nicht mehr als ein Hirngespinst, ein frommer Wunsch und wird auch auf absehbare Zeit nicht realisierbar sein“, sagte DJV-Vorsitzender Torsten Reinwald.

Lesestoff:

[1] Panik im Wald: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/1300-asp-sorgt-fuer-panik-im-wald.html

Roland Krieg; Foto: roRo

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