Wilde Walnuss Wälder
Landwirtschaft
Naturreporter in Kirgisistan auf 3sat
>100 g Walnüsse haben rund 700 Kalorien. Aber schon seit dem Altertum gelten Nüsse als Proteinquelle für die vegetarische Küche und versorgen die Menschen mit den Vitaminen A und E, sowie den Mineralien Kalium, Magnesium und Selen. Und Walnüsse gehören zu Weihnachten einfach dazu. Doch woher kommen die Nüsse? Zum Beispiel aus Kirgisistan. Am kommenden Sonntag zeigt 3sat zwischen 18:00 und 18:30 Uhr eine spannende Reportage über die Walnuss-Wildobst-Wälder:"Im Schatten des Tienschan"
Was Wissenschaftler dort vorfinden, ist einzigartig: Walnuss-Wildobst-Wälder, die in ihrer Ausdehnung und Biodiversität weltweit ihresgleichen suchen. Die Wälder werden bewirtschaftet und dienen damit der Bevölkerung vor Ort als Lebensgrundlage. Durch die intensivierte Nutzung ist dieses Ökosystem zunehmend bedroht, die Wälder sind inzwischen in kritischem Zustand. Das war Anlass genug für einheimische und deutsche Wissenschaftler, sich - mit Unterstützung der VolkswagenStiftung - dieses Ökosystems von internationaler Bedeutung anzunehmen. Bei ihrer Arbeit vor Ort wurden sie im September und Oktober 2004 von einem Kamera-Team begleitet, und es entstand eine Reportage über die Walnussernte, die kommenden Sonntag, auf 3sat zu sehen ist.
Walnussernte
Ende September ziehen Kirgisen und Usbeken in die Wälder, wo sie in provisorisch aus Ästen, Folien und Stroh gebauten Unterständen und Zelten übernachten, ihre Nussbäume beernten und bewachen. Die natürlichen Walnuss-Wildobst-Wälder beherbergen eine große genetische Vielfalt an Wildformen zahlreicher Obstgehölze. Neben der Walnuss finden sich auch Apfel, Birne, Pflaume und Weißdorn. Sie erstrecken sich über eine Fläche von 230.700 Hektar - davon sind 25.600 Hektar Walnuss- Reinbestände. Das Gebiet dieser Wälder ist von herausragender weltweiter Bedeutung für den Erhalt des genetischen Potenzials der Wildformen zahlreicher Obstgehölze und hat gute Chancen, den Rang eines UNESCO-Weltnaturerbes der Menschheit zu erhalten. Und so wird auch im Film das große öffentliche Interesse in Kirgisistan am Projekt deutlich - und zudem der landschaftliche Reichtum, der die gesamte Region auszeichnet.
Wirtschaftsfaktor Walnuss
Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion spielen diese Wälder eine immer größere Rolle für die Subsistenzversorgung der lokalen Bevölkerung. Sie ernten die Früchte, sammeln Brennholz und nutzen den Wald als Weide. Während in den letzten Jahrzehnten der Sowjetunion das Walnussholz nur wenig genutzt wurde, steigt jetzt der Nutzungsdruck auf das hochwertige Holz und die Maserknollen der Walnussbäume, die vor allem von ausländischen Händlern nachgefragt werden. Aktuelle Folgen sind ein weiterer Rückgang der Waldfläche und eine Verringerung der Bestandsdichte der Wälder. Wald wird zunehmend in Mähwiese und Ackerland umgewandelt; ein Großteil wird beweidet, sodass sich die Walnuss nicht mehr über ihre Samen verjüngen kann. Das führt zu einer Überalterung der Bestände, die letztlich zusammenbrechen, ohne sich regenerieren zu können. Zwar können sich alte Walnussbäume unter optimalen Bedingungen noch mehrere Generationen über die Bildung von Stockausschlägen erhalten, aber dauerhaft bleibt der Erfolg aus. Aufforstungen durch die staatlichen Forstbetriebe finden kaum statt. Durch die fehlende natürliche Verjüngung der Populationen droht nun die genetische Vielfalt der Obstgehölze verloren zu gehen, was sich durch Aufforstungen auch nur zum Teil kompensieren ließe. Weiterhin verlieren die Wälder zunehmend ihre Schutzfunktion - und das begünstigt Bodenerosion, Hangrutschungen und Hochwasser. Bei einer weiteren Ausdehnung der Nutzungsintensität sind die Wälder mittel- bis langfristig in ihrem Bestand bedroht.
Forschung ländlicher Entwicklung
Das Forschungsvorhaben selbst wird als Kooperationsprojekt der Professoren Udo Schickhoff von der Universität Hamburg, Michael Succow von der Universität Greifswald und Hermann Kreutzmann von der Universität Erlangen-Nürnberg durch die VolkswagenStiftung mit 400.000 Euro gefördert. Die Experten beschäftigen sich am Beispiel der Walnuss-Wildobst-Wälder mit den Zusammenhängen zwischen dem sozio-ökonomischen Wandel in Süd-Kirgisistan und den dort zu beobachtenden Umweltveränderungen. Analysiert werden die Veränderungsprozesse in Reaktion auf den zunehmenden Nutzungsdruck - mit dem Ziel, in einem letzten Schritt eine am Leitbild der Nachhaltigkeit orientierte Entwicklungsperspektive für die bewirtschafteten Wälder aufzuzeigen.
Seit Mitte Oktober zeigt 3sat jeden Sonntag wie Wissenschaftler beispielsweise Haie beobachten, Madagaskars Inselflora erkunden oder wo in Aserbaidschan das Land des ewigen Feuers ist. Am Sonntag schauen sie nach, wo die Walnüsse herkommen.
roRo