Winderosion
Landwirtschaft
Sandsturm in Mecklenburg-Vorpommern
Am Freitag verursachte ein Sandsturm auf der A19 südlich von Rostock eine Massenkarambolage mit acht Toten und 131 verletzten Menschen. Links und rechts der Autobahn sind weiträumige Felder. Zum Zeitpunkt des Unfalls waren sie sehr trocken, da es seit dem 03. April nicht mehr geregnet hatte und Sturm mit Geschwindigkeiten bis zu 86 Stundenkilometern trieb den Ackerboden vor sich her. Die Polizei mutmaßt, dass auch Raserei den Massenunfall mit verursachte. Ursächlich war es dennoch der Sand. Winderosion nennen das die Fachleute.
Kein Einzelfall
Wenn auch deutlich weniger tragisch, so sind
vergleichbare „Sandstürme“ kein Einzelfall. Generell sind Ackerflächen
winderosionsgefährdet, wenn sie keine Bedeckung durch eine Vegetation aufweisen
und ausgetrocknet sind, so dass die Bodenteilchen vom Wind angehoben werden
können. Wind mit einer Geschwindigkeit von fünf bis sechs Meter in der Sekunde
nimmt solche Teilchen bereits mit. Je kleiner die Teilchen, desto weiter werden
sie geweht.
Am 11. April 1997 musste die Polizei eine Landstraße
zwischen Greifswald und Lubmin komplett sperren, weil heftiger Sturm Erde bis
zu 50 Zentimeter auf der Fahrbahn aufhäufte. Im Jahr 2003 gab es mehrere
Sandverwehungen in Brandenburg, bei denen es zu Blechschäden kam.
Wer auf der A14 während der Frühjahrsbestellung und in
der Erntezeit von Halle nach Magdeburg unterwegs ist, fährt an manchen tagen
mit Licht, weil aufgewirbelter Staub die Sonne verdunkelt.
Am 23. März 2007 hob ein starker Sturm mit 90 km/h in
der Ukraine ausgetrocknete Bodenteilchen in die Lüfte, die ein paar Tage später
als Gelbschimmer über Sachsen zu sehen waren. Alleine der transkontinental
verwehte Staub wurde auf eine Menge von 60.000 Tonnen geschätzt. Dr. Wolfram
Birmili vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung4) schätzt,
dass der Klimawandel solche Verwehungen öfters hervorruft.
Windgefährdet
Nicht nur Ostdeutschland ist durch seine großen
landwirtschaftlichen Flächen ist winderosionsgefährdet. Schon 2006 hat das
niedersächsische Landwirtschaftsministerium mitgeteilt, dass etwa „46 Prozent
der niedersächsischen Ackerfläche … aufgrund der Bodenart und des Humusgehaltes
hoch bis sehr hoch gefährdet sind“.
In der EU gelten 42 Millionen Hektar als
winderosionsgefährdet. Nach Klimaforscher Hartmut Graßl kommt Europa im
Weltdurchschnitt bei der Winderosion noch gut weg. Aber in Deutschland weist
die mittlere Bodenerosionsrate neun Tonnen pro Jahr und Hektar auf und liegt
damit deutlich über der durchschnittlichen Bodenneubildungsrate von etwa zwei
Tonnen.1) Ein Bodenabtrag von 15 Tonnen je Hektar und Jahr äußert
sich durch eine Minderung der Schichtdicke um einen Millimeter.
Der Autobahnabschnitt bei Kavelstorf liegt in der Zone
Mecklenburg-Vorpommerns, wo die jährliche mittlere Windgeschwindigkeit bei fünf
Meter je Sekunde liegt. Allermeist ohne sichtbare Folgen. Die Kartierung eines
Autorenteams des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) hatte
für den 2. Auflage „Bodenerosion“2) für das
Landwirtschaftsministerium in Schwerin das Land nach Gefährdung durch
Winderosion kartiert. Die Region südlich von Rostock gilt als „mittel“ und „sehr stark“ gefährdet.
In Ostdeutschland steht Winderosion nach
Bodenverdichtung und Wassererosion auf Platz drei der bedeutendsten
Degradationserscheinungen. In der Studie heißt es: „In vielen Gebieten
Mecklenburg-Vorpommerns herrschte schon immer eine große Windoffenheit, die
allerdings in den letzten 50 Jahren zugenommen hat.“ In kleiner strukturierten
Landschaften sind die bodennahen Bereiche geschützter, da das „Windfeld“ durch
verschiedene Strukturelemente angehoben wird.
Schäden durch Winderosion
Die sächsische Forstwirtschaft hat die Schäden der
Winderosion knapp zusammengefasst: Im Abtragungsbereich wird mit der Zeit das
Bodenprofil verkürzt, der Boden verliert Humus und Feinbodenteilchen. Dadurch
werden Bodenfunktionen wie Filter- und Speicherkapazitäten eingeschränkt. Nicht
zuletzt werden Saatgut, Dünger und Pflanzenschutzmittel verfrachtet.
Im Auftragungsbereich werden die Frachten
aufkonzentriert, Pflanzen überdeckt und Verkehrs- sowie Siedlungsbereiche
verschmutzt.
Maßnahmen
Es gibt zahlreiche Maßnahmen zum Schutz vor
Winderosion. So schlägt das ZALF-Autorenteam eine Nutzungsänderung der
Landbewirtschaftung an die regionale Windgefährdungen vor. So sollten mehr
oberflächenschützende Winterkulturen, mehrjährige Futterkulturen genutzt, oder
die Fläche in Wald oder Dauergrünland umgewandelt werden. Die Realisierung sei
aber nur mäßig, weil marktwirtschaftliche Gründe gegen Landnutzungsänderungen
stehen. Oftmals seien nur über den Naturschutz Eingriffe möglich.
Die Fruchtfolgegestaltung hat einen hohen Wirkungs- und
Umsetzungsgrad. In der Landwirtschaft läuft das unter dem Begriff der „Guten
Fachlichen Praxis“. Allerdings können Pachtverhältnisse und Förderbedingungen
die Umsetzung mindern.
Zwischenfruchtanbau hat hingegen nur eine mäßige
Wirkung gegen Winderosion. Hierbei steigen die Arbeitsgänge und damit die
Kosten der Hauptfrucht. Sehr gute Effekte gibt es durch die Mulchsaat, die in
erosionsgefährdeten Gebieten förderwürdig ist.
Landesverordnung Erosionsschutz
Im Juni 2010 hat Mecklenburg-Vorpommern im Rahmen der
Verpflichtungen zum Erhalt von Direktzahlungen die „Landesverordnung
„Erosionsschutz“3) erlassen. Bis dahin mussten die Flächen nach
Wasser- und Winderosionsgefährdung eingeteilt werden. Bei der
Windklassifizierung wurden die Kriterien „Erodierbarkeit des Bodens“, das
Jahresmittel der Windgeschwindigkeit und die Schutzwirkung von Hindernissen
berücksichtigt. Windhindernisse haben ab einer Entfernung des 20fachen ihrer
Höhe eine nur noch sehr geringe Schutzwirkung.
Die Böden wurden nach diesen Parametern in
Gefährdungsklasen von Enat 0 bis Enat 5 eingeteilt. 3,79
Prozent der Ackerfläche des Bundeslandes, knapp 42.000 Hektar, sind mit der
höchsten Gefährdungsklasse Enat 5 ausgewiesen. Ein Teil davon liegt
südlich von Rostock.
Lesestoff:
1) Graßl, H. (1997):
Brisante Mischung – Böden und globaler Wandel. In: Kümmerer, K et al.: Bodenlos
– Zum nachteiligen Umgang mit Böden. Politische Ökologie 15, Sonderheft 10,
München
2) Landesamt für Umwelt,
Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.): Beiträge im
Bodenschutz in Mecklenburg-Vorpommern. 2. überarbeitete Auflage „Bodenerosion“,
2002
3) www.lms-beratung.de
4) Staub aus der
Ukraine