„Wir haben es satt“

Landwirtschaft

Kampfansage an die Agrarindustrie

Nutztiere haben zu wenig Platz. Die Puten entwickeln schneller Körpergewicht als ihr Knochenwachstum es zulässt und können sich kaum selbst tragen. Die bäuerliche Landwirtschaft ist sozial-ökologisch, schafft regionale Arbeitsplätze und vertrauenswürdige Produkte. Die industrielle Agrarproduktion monopolisiert die Tier- und Pflanzenarten und bestimmt damit, was Verbraucher auf den Teller bekommen.
Am Dienstag zählten Friederike Schmitz, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fach Philosophie an der Universität Heidelberg und Christian Voigt, Student, als Mitinitiatoren des „Appell für den Ausstieg aus der Massentierhaltung“ alle Argumente auf, die bislang von der Agraropposition angeführt werden.
Und doch ist es diesmal anders.

Große Demo zur IGW

Vorlage des Appells ist eine holländische Aktion, die im letzten Jahr mehr als 100 Professoren zu einer vergleichbaren, gemeinsamen Aktion bewegte. Das müsste doch auch in Deutschland klappen, sagte Christian Voigt zu Herd-und-Hof.de in Berlin. 300 Professoren aus den verschiedensten Fakultäten sollten bis ende des vergangenen Jahres zusammenkommen, um mit sachlichen und fachlichen Argumenten die Massentierhaltung zu überwinden.
Heute sind es bereits mehr als 300 Professoren und über Facebook hat die Aktion eine große Eigendynamik entwickelt. Heute wird der Appell von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und dem BUND begleitet. Die Plattform will vor allem das Thema der breiten und nicht landwirtschaftlichen Bevölkerung öffnen und stellt damit die bisherigen Ideen auf eine breitere Basis.
Prof. Dr. Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND, sieht darin auch die kommende europäische Perspektive. Das Europäische Parlament wird über die Agrarpolitik mitreden und da sitzt mehrheitlich der Durchschnittsbürger außerhalb der Agrarbranche.
So sei der aktuelle Dioxin-Skandal auch nur ein weiteres Symptom der Branche, nicht auslösendes Moment. Am 22. Januar will eine große Demonstration zur Internationalen Grünen Woche mit dem Motto „Wir haben es satt“ aufzeigen, was falsch läuft und Wege markieren, es anders zu machen.

Längst überfällig

Prof. Weiger erinnerte daran, dass die Aktionen nicht neu sind. Bereits unter Bundeskanzler Gerhard Schröder hat es mit dem Wechsel im Bundeslandwirtschaftsministerium einen Wechsel angesichts der BSE-Krise gegeben, die Agrarindustrie zu überwinden. Das sei aber gescheitert, weil bei abklingendem Medieninteresse die Branche das Motto vereinnahmte „Wir machen das!“. Mit Hilfe des QS-Systems habe die Branche die Bevölkerung aber nur in Sicherheit gewiegt. QS habe die Branche nicht vor Belastungen bewahren können, wie es der aktuelle Dioxin-Fall aufzeigt: „Alle freiwilligen Kontrollsysteme sind gescheitert“, so Weiger. Jetzt setzt der Vorsitzende des BUND auf das breite Bündnis, das viele Nicht-Agrarier ins Boot holen will. Würden, so Weiger Bilder aus der Massentierhaltung per Webcam an die Frischetheke überspielt werden, dann kauften die Menschen die Produkte nicht mehr. Auf den Verpackungen sollten die Haltungsbedingungen abgebildet werden, so Weiger.

Bodenabhängige Tierhaltung

Der Appell ist eine „Kampfansage an die Agrarindustrie“ so Weiger. Die Arbeit richte sich aber nicht gegen die Landwirtschaft im Allgemeinen. Norddeutschland habe sich vor allem wegen der Nähe zu Überseehäfen wie Belgien, die Niederlande oder in Frankreich die Bretagne zum Fokus der bodenunabhängigen Tierproduktion entwickelt. Die Tierproduktion müsse wieder auf das maß zurückgefahren werden, dass die Tiere vom Hof selber ernährt werden. In begrenztem Maß solle ein Futterzukauf möglich sein.

Lesestoff:

www.wir-haben-es-satt.de

Roland Krieg; Foto: Kampagnenplakat

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