Wir haben Werte
Landwirtschaft
Leitbilddiskussion des Deutschen Bauernverbandes
Am Freitag will der Deutsche Bauernverband (DBV) in Koblenz über ein Leitbild seines Verbandes abstimmen. In der Präambel des Entwurfes heißt es, dass die Bauern in selbständiger Entscheidung und Verantwortung ihren Beruf ausüben. Ziel der bäuerlichen Arbeit sind die Erzeugung von Lebensmittel, Energie, die Erhaltung der Natur und Verpflichtung gegenüber Familie, Eigentum und der ländlichen Entwicklung. Es liegen die drei Prinzipien des unternehmerischen Denkens, der Bäuerlichkeit im Herzen und der Verwurzelung in der Region zu Grunde.
Selbstverständnis der Bauern
Auf dem ersten Blick ist es nicht ganz klar, warum der
Bauernverband jetzt ein Leitbild entwickelt, während Konsumenten ihren Einkauf
längst nach verschiedenen Labeln ausrichten. Das Leitbild soll eine Wirkung nach
außen haben. Nach Julia Klöckner, Vorsitzende der CDU in Rheinland-Pfalz geht
es bei der Wertedefinition um ein gesellschaftliches Anliegen, das in der Landwirtschaft
im kleinen Maßstab umgesetzt werden soll. Die Werte werden sich nur erfüllen,
wenn sie bei den Bauern und Winzern vor Ort umgesetzt werden. Für die
Landwirtschaft, so Klöckner weiter, geht es dabei um mehr als die Wertigkeit
von Lebensmitteln. Die Werte des Leitbildes umfassen die Aufzucht und Pflege
der Tiere und die ganze Arbeit bis zur Gewinnung der Milch. Nach Klöckner bekommen
die Werte auch nur dann einen Sinn, wen sie von den Verbrauchern geteilt und
verstanden werden. Deshalb sollte das morgen verabschiedete Leitbild auch
Eingang in den Schulunterricht finden.
Ein wenig Medienschelte übte Klöckner auch. Gerade der
Dioxinfall zu Jahresbeginn habe in den Medien eine Eigendynamik hervorgebracht,
die das kriminelle Tun eines Einzelnen auf die ganze Branche übertragen. Doch
sie trat auch Vorschlägen entschlossen gegenüber, die öffentlich-rechtlichen
Medien über die Politiker im Vorstand stärker zu kontrollieren. Im Rahmen der
Pressefreiheit müsse die Branche auch manchen „Schwachsinn“ ertragen lernen,
doch das hohe Gut der Pressefreiheit dürfe nicht durch politisches Eingreifen
gefährdet werden.
Leitbild im Diskurs
Viele Landesbauernverbände haben bereits eigene Leitbilder
verabschiedet. Das entspricht dem Grundgedanken, so DBV-Vizepräsident Werner
Hilse, dass das Leitbild von unten herauf entwickelt werden soll. Schon heute
wurde das erstmals im Entwurf vorliegende Leitbild emotional diskutiert. Vielen
fehlt der christliche Gedanke bei Fassung der Werte. Nach Adalbert Kienle,
stellvertretender Generalsekretär des DBV, wurde der Zusatz viel diskutiert.
Doch er wurde nicht „expressis verbis“ aufgenommen, weil das Leitbild allen,
nicht nur Christen, offen stehe. Die dargelegten Begrifflichkeiten legten aber
nahe, dass christliche Grundwerte dem Leitbild unterliegen.
Ein weiterer Streitpunkt ist der Begriff „alle“. Der
Deutsche Bauernverband vertritt „alle“ landwirtschaftlichen Betriebe, heißt es
im Entwurf. Selbst aus den Reihen des DBV heißt es, dass nicht alle Bauern sich
im DBV wiederfinden und der Passus durch „“seine Mitglieder“ ersetzt werden
sollte. Dem allerdings widersprach Hilse deutlich. Der DBV habe das
Selbstverständnis für alle Bauern sprechen zu können.Welche Wirkung das Leitbild haben kann, bleibt offen – nach außen
jedenfalls. Beispielsweise sind die großen Schweinemastbetriebe in
Ostdeutschland in der Bevölkerung umstritten. Danach befragt antwortet
Bauernpräsident Gerd Sonnleitner gegenüber Herd-und-Hof.de, dass aber auch
diese im Leitbild enthalten seien. Entscheidend sei die bäuerliche Einstellung und nicht die
Größe des Betriebes. Das Leitbild will für alle Produktionsrichtungen und
Rechtsformen sprechen.
Klarer wird die Notwendig des Leitbildes nach innen. Die
Bauern leben und arbeiten in dörflicher Gemeinschaft. Die Nachbarn kennen sich,
die Bauern wissen, was ihre Berufskollegen anbauen, sie reden übereinander,
wenn einer nach dem Bau einer Biogasanlage mit dem Maisanbau beginnt. Im Dorf
grüßen sich die Menschen mehr als in der Stadt, sind die menschlichen
Gemeinschaften der Fürsorge und auch des Feierns lebendiger als in der Stadt.
Funktionierende Lebensgemeinschaften sind die Grundlage des lebendigen
ländlichen Raums, der überall beschworen wird.
In diesem Kontext wird das Leitbild des Bauernverbandes stärker,
denn es geht um den Anspruch der gegenseitigen Rücksichtnahme. Darin verwurzelt
ist der Geist christlicher Werte, der nicht nur zum Erntedank Kirche und Bauern
zusammenbringt. Es geht konkret beispielweise darum, dass Felder in bäuerlicher
Hand bleiben und nicht an Firmen für die Energiegewinnung gepachtet werden, die
keinen Bezug mehr zur Landwirtschaft haben. „Das macht man nicht!“. Diesen Satz
aus dem dörflichen Gemeinschaftsleben will das Leitbild des DBV mit füllen.
Werner Hilse betont, dass das Leitbild ein Fundament ist,
das in der Folgezeit mit mehr Leben gefüllt werden soll. Gerd Sonnleitner nannte
das Leitbild das „Grundgesetz“ des Bauernverbandes.
Roland Krieg (Text und Fotos)