„Wir pflegen die Landschaft, die Sie lieben!“

Landwirtschaft

Sind die Schäfer die Verlierer der GAP?

Wenn die Berliner Radler am Wochenende in Richtung Osten fahren und an Altlandsberg vorbeikommen, bleiben sie in wenigen Wochen wieder „zweireihig“ an vielen Wiesen stehen. Dann ist Lammzeit. Der Zaun um die Schafe scheint eher die Berliner von der Herde zurückzuhalten, als die Schwarzköpfigen Fleischschafe von Schäfer Knut Kucznik auf der Wiese halten zu müssen.

1995 hat er auf Splitterflächen in und um Altlandsberg mit der Schafhaltung angefangen und hat heute rund 600 Mutterschafe. Kucznik teilt seine Schafe in fünf Herden auf. Sie grasen auf Flächen, die im Durchschnitt ein Hektar groß sind. Erst nach der Ernte führt er sie zu zwei Herden zusammen und nutzt die Flächen der Ackerbauern. Vorzugsweise Gerstenflächen. Danach geht er auf Wanderschaft und kommt im Frühjahr wieder nach Altlandsberg zurück.

Die vielen kleinen Koppeln sind sehr arbeitsintensiv. Täglich muss umgekoppelt werden, wobei ihm zwei Mitarbeiter helfen müssen. Außerdem stehen ihm noch Altdeutsche Hütehunde zur Verfügung, deren Rassewurzeln bis ins Mittelalter zurückreichen.

Dank seiner Schafe verbuschen die Naturschutzflächen nicht. Einige Wiesen sind das letzte Brandenburger Refugium des Wiesenknopfes, der als Futterpflanzen für die seltenen Falter des Hellen und Dunklen Bläulings dient.

Der Vorsitzende des Landesschafverbandes untertreibt nicht: „Wir pflegen die Landschaft, die sie lieben!“. Es ist gleichzeitig ein Warnruf an die Politik und Öffentlichkeit, denn den Schäfern geht es alles andere als gut. Und nicht nur in Brandenburg. Zu diesem Ergebnis kamen am Dienstag die Schäfer zusammen mit dem Landesbauernverband in Altlandsberg, die von der Deutschen Agrarwissenschaftlichen Gesellschaft zu der Tagung „Wirtschaftlichkeit der Schafhaltung“ eingeladen wurden.

Schafe und Betriebe rückläufig

1997 gab es noch rund 160.000 Schafe in Brandenburg. Heute ist es nur noch die Hälfte. Ähnlich ging es den Betrieben. Heute gibt es nur noch 329 landwirtschaftliche Betriebe mit mehr als zehn Schafen, führte Dr. Michael Jurkschat vom Landesamt für Ländliche Entwicklung und Flurneuordnung (LELF) aus. Lediglich 77 davon betreiben die Schäferei im Haupterwerb.

Groß ist noch die Zahl der Hobbyhalter. Davon gibt es 4.507 mit Schafen und 1.591 mit Ziegen. Die aber stellen keine Anträge auf Agrarzahlungen.

Die Zahl der Mutterschafe sank nach der Wende und schien sich bis 2005 zu stabilisieren. Als dann aber die Mutterschafprämie gestrichen wurde, weil die Zahlungen aus Brüssel nicht mehr an die Produktion gekoppelt sein sollen und die Flächenbindung eingeführt wurde, ging der Sinkflug bei Schafen und Schäfern weiter. Seitdem finden sie auch keinen Anschluss mehr.

Keine Flächen, keine Wirtschaftlichkeit

Dr. Jurkschat stellte betriebswirtschaftliche Analysen vor, die Auskunft über die Situation der Schäfer geben.

Je Mutterschaf erzielen die Betriebe durchschnittlich 307 Euro Erlös. Lediglich ein Viertel davon wird über den Schlachtpreis erzielt. Ein weiteres Viertel resultiert aus der Betriebsprämie und aus Agrarumweltmaßnahmen. Das letzte Viertel stammt aus der Deichpflege und dem Vertragsnaturschutz.

Dem Betrag stehen allerdings auch Kosten in Höhe von 299 Euro je Mutterschaf gegenüber. Mehr als 41 Prozent fallen für den Posten Futter an. Der Transport für Schafe und Futter frisst einen großen Teil des Gewinns wieder auf. Das tägliche Umkoppeln belastet den Betrieb mit Arbeitskosten in Höhe von 22 Prozent. Schur, Veterinärkosten und Versicherungen machen weitere 22 Prozent aus.

Im Schnitt bleiben je Mutterschaf nicht mehr als acht Euro Gewinn übrig. Damit liegen die besten Schäfer mit ihrem Einkommen unterhalb der schlechtesten Futterbaubetriebe. Und das liegt an der Fläche. Die Top-Ten-Betriebe haben Flächen von durchschnittlich 316 Hektar, die schlechtesten zehn Betriebe lediglich 123 Hektar. Die versuchen mit einem fast dreifachen Tierbesatz von 3,60 Tieren pro Hektar die schlechte Ausgangsposition zu verbessern, müssen das aber mit einem hohen Arbeitsaufwand bezahlen.

Dabei gibt es Chancen für eine rentable Mutterschafhaltung. Die Schlachtpreise lagen jahrelang auf niedrigem Niveau um die 1,70, weil zusätzlich Lämmer aus Polen, Großbritannien und Irland in Brandenburg vermarktet wurden. Die Zeiten ändern sich, sagt Dr. Jurkschat. Südostasien und Saudi-Arabien fragen derzeit stark nach Lammfleisch nach. Das zieht Marktanteile von Europa ab, die von den Brandenburger Schäfern erobert werden könnten. Derzeit liegt der Schlachtpreis wieder bei 2,50 pro Kilo.

Engpass Fläche

Der größte Engpass aber bleibt die Fläche. Die Schäfer haben bei der steigenden Nutzungskonkurrenz kaum noch eine Chance an Fläche zu kommen. Daran sind ader die Direktzahlungen der ersten Säule in der Gemeinsamen Agrarpolitik gebunden. Zwischen 50 und 60 Prozent verdienen die Schäfer ihr Einkommen aus Betriebsprämien, Agrarumweltmaßnahmen und sonstigen Hilfen wie die Deichschäferei. Und diese Beiträge sind von der Politik abhängig.

Zurück zur Mutterschafprämie

Die Politik hat sich durchaus Gedanken über die Situation der Schäfer gemacht, aber nur einen Werkzeugkasten kreiert, der für die Schäfer einem Horrorszenarium gleicht. Schäfer sollen Geld aus dem Kulturlandschaftsprogramm KULAP erhalten, wenn sie Flächen extensiv beweiden. Aber nur noch zu zwei Drittel - oder wenn sie Kennarten auf ihren Wiesen nachweisen können. Dazu soll es einen Katalog von seltenen Pflanzen geben. Sind vier bis sechs davon vorhanden, gibt es Geld.

Den Schäfern graut es vor dem Verwaltungsaufwand. Zudem wachsen die Pflanzenarten je nach Witterung dynamisch, was dann auch zu wechselhaften Auszahlungen führen würde.

„Das beste KULAP-Programm werde zwar das Einkommen von Schäfern leicht verbessern, aber kein einziges neues Schaf nach Brandenburg bringen“, sagten die Schäfer. Sie fordern die Mutterschafprämie in Höhe von 60 Euro zurück, die insbesondere flächenarmen Betrieben die Existenz sichert. Knut Kucznik fordert auch einen Schäferanteil an der Umschichtung der Direktzahlungen in die zweite Säule von 4,5 Prozent, wie es die Agrarminister für Deutschland beschlossen haben. Gelder sollen für Raufutterfresser und Grünlandstandorte verwendet werden. Pflegeverträge für Deiche und dem Vertragsnaturschutz müssen generell eine Laufzeit von fünf Jahren haben und die Deichschäferei soll auf die ganze Brandenburger Deichlänge von 1.600 Kilometer ausgeweitet werden. Derzeit gibt es nur Verträge für 600 Kilometer.

Unsicherheit besteht für die Greening-Flächen. Dürfen die Schäfer sie beweiden und KULAP-Gelder erhalten oder werden sie sogar von dem Land verdrängt? Werden die Landwirte nur die schlechtesten Standorte in das Greening geben, um ihre guten Ackerflächen zu behalten? Der Unterschied ist groß. Dr. Jurkschat hat einmal Schlachtkörper von Lämmern verglichen. Die Tiere auf guten Standorten brachten nach sieben Monaten 23 Kilogramm Schlachtgewicht auf die Waage, während die Tiere von den schlechten Grünlandstandorten gerade einmal auf 13 Kilo kamen. Eine zusätzliche Kraftfutterfütterung sei dann meist unumgänglich.

Demo auf der AMK

In der nächsten Woche tagen die Agrarminister in Cottbus. Die Schäfer werden mit einer Herde am 03. April ebenfalls da sein und auf ihre Situation aufmerksam machen: „Wir erinnern die Landesagrarminister daran, uns angemessen zu bezahlen“, sagte Kucznik.

Roland Krieg

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