Wirkungsgesetz der Wachstumsfaktoren

Landwirtschaft

50. Todestag von Mitscherlich

>Am vergangenen Freitag ehrte das Land Brandenburg einen der größten deutschen Agrarwissenschaftler: Eilhard Alfred Mitscherlich. Sein Todestag jährte sich zum 50. Mal und wurde mit einer Ansprache und Kranzniederlassung in Paulinenaue im Kreis Nauen begangen, seinem letzten Arbeitsort.

Malthus widerlegt
Die "Gute fachliche Praxis" der bäuerlichen Arbeit ist angewandte Naturwissenschaft. Kaum ein anderer Beruf ist so eng mit naturwissenschaftlichen Grundlagen verbunden. Physik und Chemie, Biologie und Genetik, Mathematik, sowie Statistik und auch Technik machen das landwirtschaftliche Studium so interessant, weil deren Gesetzmäßigkeiten in der täglichen praktischen Arbeit umgesetzt und beachtet werden müssen. So wollen und wollten überall alle Bauern ihre Erträge steigern. Daher haben Wissenschaftler schon frühzeitig versucht heraus zu finden, welche Faktoren das Pflanzenwachstum, und damit die Ernteerträge, steigern und welche es hemmen. Der Italiener Serra bemühte sich bereits 1613 um eine Gesetzmäßigkeit. Der französische Ökonom Anne-Robert-Jacques Turgot (1727-1781) glaubte, aus der abnehmenden Bodenfruchtbarkeit auf einen abnehmenden Ertrag schließen zu können. Die Wissenschaftler waren auf der Suche nach einem allgemeinen ökonomischen Gesetz, dass der englische Geistliche Thomas Robert Malthus schließlich gefunden zu haben glaubte: Die menschliche Bevölkerung vermehrt sich in geometrischer Reihe, während die Nahrungsmittelproduktion nur in arithmetischer Reihe ansteigt. Weil dadurch der Hungertod der Menschen unvermeidbar ist, könnten nur Kriege und andere Mittel das Wachstum der Bevölkerung verringern.
Später führte vor allem Justus von Liebig im 19. Jahrhundert die Bilanzierung aus der Ökonomie in die Agrarwissenschaft ein. Den Pflanzen muss das, was sie dem Boden entziehen, wieder über den Boden zurückgegeben werden. Er formulierten "Das Gesetz des Minimums": Der Nährstoff, der für die Pflanze am wenigsten zur Verfügung steht, bestimmt die Vegetationsentwicklung und damit den Ertrag. Da helfe es nicht, die anderen Nährstoffe vermehrt hinzuzufügen. Erst wenn der Stoff, der im Minimum ist, zugeführt wird, können auch die anderen Nährstoffe vermehrt verwertet werden.

Mitscherlich formuliert die Kernnährstoffe
Die düsteren Prognosen Malthus´ widerlegt zu haben und die Erweiterung des Minimumgesetzes sind einige der Verdienste Mitscherlichs. Bei seinen Versuchen fand er heraus, dass für das Pflanzenwachstum jeder Faktor ?mit einer ihm eigenen Intensität? lebensnotwendig ist. Als Wachstumsfaktoren bezeichnete Mitscherlich Wasser, Nährstoffe, Licht, Wärme und Standweite. Diese Faktoren förderten das Wachstum recht unterschiedlich. Dabei übten die Kernnährstoffe Stickstoff, Phosphor und Kali den besten Wirkungsgrad bei bereits kleiner Steigerung aus.
Allerdings wuchsen die Pflanzen nicht proportional zu der hinzugefügten Nährstoffmenge. Ab einer bestimmten Größe legten die Pflanzen weniger zu. Mitscherlich definierte eine unüberschreitbare Höchstgrenze und fasste diese Beobachtung in eine mathematische Formel zusammen: Das Wirkungsgesetz der Wachstumsfaktoren. Daraus ergibt sich der Höchstertrag aus der Relation zwischen dem Ertragszuwachs und der eingesetzten Düngermenge.

Berlin, Kiel, Königsberg, Paulinenaue
Ein Denkmal an der Humboldt Universität in Berlin erinnert bereits an den Großvater, Eilhard Mitscherlich, der sich als Chemiker einen Namen erforschte. Eilhard Alfred Mitscherlich, am 29.08.1874 in Berlin geboren, verdiente seine ersten Meriten an der Universität in Kiel, wo er sich ab 1897 der Bodenkunde widmete. Sein 1905 veröffentlichtes Werk "Bodenkunde für Landwirte" wurde bis zu seinem Tod 1956 sieben Mal neu aufgelegt. Dieser Arbeit verdankte er auch den Ruf an die Universität Königsberg. Dort wurde er Professor für Pflanzenbau am landwirtschaftlichen Institut. 1949 richtete die DDR in Paulinenaue das ?Institut zur Steigerung der Pflanzenerträge? ein und berief Professor Mitscherlich zu seinem Direktor. 1951 wurde das Institut unter der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften als "Institut für Grünlandforschung" weiter geführt - und Mitscherlich blieb bis zu seinem Tod am 03. Februar 1956 dessen Direktor.
Die Wissenschaft ist natürlich nicht stehen geblieben und wir wissen heute, dass Mitscherlich die Möglichkeiten des pflanzlichen Ertragszuwachses vereinfacht dargestellt hat. Die Faktoren des Wachstums beeinflussen sich gegenseitig, aber können bis heute nicht exakt bemessen werden. Züchtung und bodenverbessernde Maßnahmen können die ?unüberschreitbare Höchstgrenze? heute übertreffen - Möglichkeiten, von denen die Wissenschaft zu Zeiten Mitscherlichs nicht einmal zu träumen wagte. Sein "Wirkungsgesetz der Wachstumsfaktoren" sichert ihm einen bleibenden Ruf in der Geschichte der Agrarwissenschaften und die Zusammenhänge zwischen Düngung und Ertrag wurden durch ihn wesentlich bereichert.

Die HU Berlin begeht in diesem Jahr noch weitere Jubiläen: "125 Jahre Landwirtschaftliche Hochschule Berlin" im Juli und die "200. Wiederkehr der Gründung der Landwirtschaftlichen Lehranstalt in Möglin" im Oktober.

Lesetipp:
?Von Thaer bis Mitscherlich. Kurzbiographien bedeutender Berliner Agrarwissenschaftler?; Beiträge zur Geschichte der Humboldt-Universität zu Berlin; Nr. 16; Berlin 1987; S. 68 bis 75
www.agrar.hu-berlin.de/fakultaet/history/

roRo

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