Wirtschaftshilfe statt Samaritertum
Landwirtschaft
BMZ startet Entwicklungshilfeprojekt mit Privatwirtschaft
In den letzten Dekaden wurden Milliarden für
Entwicklungshilfe ausgegeben, aber außer einzelnen Projekten hat sich kaum eine
ganze Region mit fremder Hilfe aus der Armut befreit. Die Schwellenländer zeigen,
dass eine Besinnung auf die eigene Stärke effektiver ist, als am Gebertropf zu
hängen. Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika wollen auf dem Gipfel
Rio +20 mit eigener Stimme sprechen und planen eine eigene Entwicklungsbank1).
Wie Entwicklungshilfe effektiver gemacht werden kann, diskutieren alle Beteiligte
seit Jahren2).
Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (BMELV) hat schon seit 1993 die private Wirtschaft ins Boot geholt,
wenn es zunächst in Arbeitskreisen um Schwellenländer wie Russland, der Ukraine
oder China ging, erläuterte Dr. Dietrich Guth, Leiter für Internationale
Zusammenarbeit im BMELV. Aus der ehemaligen Hilfe bei der Transformation des
Ostens nach der Wende ist jüngst auch ein Kompetenzzentrum in Äthiopien
entstanden3), das neue Wege in der Entwicklungshilfe beschreitet.
Die Entwicklungshilfe hat sich geändert. Zum einen geht
sie weg vom Einzelprojekt, das nach Projektende allzu oft zwischen nicht
vorhandenen Rahmenbedingungen versandete, zum anderen war die Privatwirtschaft
schon immer an einzelnen Projekten beteiligt. Daher bündelt die am Mittwoch in
Berlin gegründete Deutsche Initiative für Agrarwirtschaft und Ernährung in
Schwellen- und Entwicklungsländern (DIAE) gleich mehrere Trends: Beteiligung
der privaten Wirtschaft und Ansatz an den Rahmenbedingungen. Der Arbeitsschwerpunkt
liegt in der neuen Betrachtung, dass auch die Kleinbauern in den Entwicklungsländern
Unternehmer sind und auch so angesprochen werden wollen4).
„Ohne Wirtschaft geht es nicht“, sagte Dr. Guth.
Hans-Jürgen Beerfeltz, Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat auch die Zahlen dazu: Weltweit werden
jährlich 130 Milliarden US-Dollar für staatliche Entwicklungshilfe ausgegeben.
Die ausländischen Direktinvestitionen der Privatwirtschaft umfassen 1,2
Billionen US-Dollar. Solche Summern kann die staatliche Hilfe niemals stemmen,
so Beerfeltz.
DIAE
Die Initiative will mit Firmen, die seit eh und je in
der Landwirtschaft aktiv sind, wie Landmaschinenhersteller, Pflanzenzüchter,
Agrochemiefirmen, Entwicklungsfinanzierer aber auch internationalen
Lebensmittelhändlern vom Saatgut bis zur Ladentheke Wissen und Erfahrungen
bündeln, um in einer Form der konzertierten Hilfe die lokale Wirtschaft in
Schwung zu bringen. DIAE steht unter der Schirmherrschaft von
Entwicklungsminister Dirk Niebel, der wann immer möglich „die strategischen
Partner bei bilateralen Maßnahmen im Agrar- und Ernährungssektor einbeziehen“
will.
Die Devise „Modernisierung statt Samaritertum“ ist
keine deutsche Erfindung. Zuletzt auf dem G8-Gipfel richten sich die Staaten
auf diese neue Form der Hilfe aus. „Geld spenden alleine reicht nicht“,
begründete Lykele van der Broek, Geschäftsführer von Bayer Crop Science die
Teilnahme an der Partnerschaft. Der Landwirt ist der Schlüssel der Entwicklung
und wird in den Projekten im Zieldreieck Ökonomie, Ökologie und Soziales
beraten und betreut.
Nach Hans-Jürgen Beerfeltz setzte Marco Prehn vom
Landmaschinenhersteller AGCO International GmbH seine Unterschrift unter das
Gründungsdokument
Die Projekte werden nicht neu sein. Es geht um
Bodenfruchtbarkeit, Verringerung der Nachernteverluste, Mechanisierung von
Kleinbauern, Aufbau von Kühlketten, Marktzugang für Bauern oder Zugang zu Land
und Finanzen. Neu soll allerdings soll die Herangehensweise werden. Das BMZ und
Wirtschaft schauen sich die Projekte an, die am erfolgreichsten sein können.
Zusammen mit den lokalen Regierungen wird dann an den Rahmenbedingungen
gearbeitet, die beispielsweise der Gründung von Kooperationen ermöglicht.
Richard Kimani Rugendo, Direktor der Kevian Kenya
Limited, warb genau um diese Hilfe. 90 Prozent der Obst- und Gemüseernte musste
in seiner Region wieder weggeschmissen werden, weil es außer dem Wochenmarkt
keine andere Vermarktungsmöglichkeit für die Bauern gegeben hatte. Erst mit
privatwirtschaftlichem Investment und Beratung von Entwicklungshelfern konnten
Kooperationen dauerhaft etabliert und neue Märkte erschlossen werden. Laut Rugendo
ist das größte Hindernis weder die Beratung noch die Idee: Das größte Hindernis
ist das fehlende Investment im ländlichen Raum.
Vom Handout zum Handshake
Adolf Kloke-Lesch vom Vorstand der Gesellschaft für
Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterstreicht noch einmal den
Paradigmenwechsel in der Entwicklungshilfe. Das Einzelprojekt hilft kaum noch.
Klimawandel, Wüstenbildung und Wasserknappheit haben globale Ausmaße erreicht,
die komplexer angegangen werden müssten. Nach Tobias Kahler von der
entwicklungspolitischen Lobbygruppe ONE wird entscheidend sein, wie die
einzelne Arbeit ausgestaltet werden wird. „Land Grabbing wäre der Worst Case“,
so Kahler, aber die Beispiele in Kenia zeigen ja ein anderes Gesicht.
Einzelne Vorschläge liegen noch nicht vor. Denkbar wäre
das SAFO-Anreicherungsprojekt der BASF5). Die Bevölkerung wird mit
Vitamin A angereichertem Pflanzenöl versorgt. Oder würde das mit einer anderen
Strategie konkurrieren, die mit dem Golden Rice Vitamin A bereits in das
Grundnahrungsmittel bringt und von den Pflanzenzüchtern eingebracht werden
könnte? Wer und welche Wertschöpfungskette da den Zuschlag erhält, ist offen.
Dr. Stefan Schmitz aus dem BMZ erläuterte gegenüber Herd-und-Hof.de, dass Projektvorschläge
sorgfältig darauf evaluiert und geprüft werde, welches am meisten Sinn macht.
Zwei Fragen zu DIAE an Staatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltz:
HuH: Wie kann man das Verhältnis zwischen Unternehmen, die in Deutschland moderne und kapitalkräftige Betriebe versorgen, zur Zielgruppe der Kleinbauern ausbalancieren, die oftmals weniger als 1,25 US-Dollar am Tag zum Leben haben?
Beerfeltz: Nachhaltige und verantwortungsvolle
Investitionen privater Unternehmen sind unverzichtbar, wenn wir es schaffen
wollen, den Hunger weltweit erfolgreich zu bekämpfen. Ein vielversprechender
Ansatz, um Know-how und Kapital des Privatsektors zu nutzen und dabei die
Rechte von Kleinbauern zu bewahren, sind inklusive Geschäftsmodelle. Das sind
innovative Kooperationen zwischen Kleinbauern und Privatwirtschaft, die aus der
Geschäftsbeziehung einen entwicklungspolitischen Mehrwert entfalten sowie
Kleinbauern in ihrer Handlungs- und Verhandlungskapazität stärken. Der Erfolg
inklusiver Geschäftsmodelle steht und fällt folglich mit der Frage, ob es
gelingt, Rahmenbedingungen so auszugestalten, dass Kleinbauern und Unternehmen
trotz ihrer unterschiedlichen Stärken und Schwächen zu einem fairen
Interessenausgleich finden.
Ein gutes Beispiel ist die Initiative Cotton
made in Africa: etwa 20 Millionen Menschen leben in Sub-Sahara-Afrika vom
Baumwollanbau. Trotz guter Qualität der Baumwolle bereiten den Kleinbauern
niedrige Weltmarktpreise, verzögerte Bezahlung und mangelnde Produktivität
Probleme. Falscher Einsatz von Agrarchemikalien gefährdet zudem oft ihre Gesundheit.
Die von der Otto-Gruppe 2005 initiierte Allianz „Cotton made in Africa“ zielt
darauf ab, die Verfügbarkeit hochwertiger Baumwolle aus Afrika dauerhaft zu
gewährleisten, die Einkommen der Kleinbauern zu verbessern sowie Produktivität
und Gesundheitsschutz zu erhöhen. Die Bäuerinnen und Bauern werden durch
Schulungen in guten landwirtschaftlichen Praktiken befähigt, ihre
Produktionskosten zu reduzieren und ihre Produktivität nachhaltig zu erhöhen.
Gleichzeitig wird die Kooperation zwischen Erzeugern und Abnehmern gestärkt.
Weltweit ist in Zusammenarbeit mit renommierten Spinnerei- und Webereibetrieben
eine zuverlässige Angebotskette entstanden. Eine verstärkte Nachfrage nach
afrikanischer Baumwolle und eine effiziente, transparente, internationale Wertschöpfungskette
spielen eine entscheidende Rolle, um „Cotton made in Africa“ eine angemessene
Marktposition zu verschaffen.
Das BMZ ist ein Vorreiter bei der Förderung von
diesen Ansätzen. Wir machen uns auch international, z.B. im Rahmen der G20,
dafür stark.
HuH: Im Rahmen der win-win-Situation werden Firmen Unternehmensgewinne generieren, die auf Know-how und Infrastrukturen zugreifen, die mit öffentlichen Mitteln finanziert sind. Wo ist der „win“ für den deutschen Steuerzahler?
Beerfeltz: Der Staat kann die Herausforderungen der Entwicklungszusammenarbeit nicht alleine bewältigen. Wir brauchen das Engagement der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft. Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft mobilisieren den Transfer von Know-how und moderner Technologie in Entwicklungsländer. Wenn also privates Kapital einen entwicklungspolitischen Mehrwert schafft, erleichtert das auch dem deutschen Staat, die Ziele in der Entwicklungszusammenarbeit zu erreichen. Denn je schneller ein Land auf einen nachhaltigen wirtschaftlichen Wachstumspfad kommt, umso schneller wird es unabhängig von externen Gebern. Dann spart auch der deutsche Steuerzahler. Und denken Sie mal umgekehrt an die Kosten unterlassener Entwicklungszusammenarbeit! Wenn wir nicht Probleme lösen helfen in Entwicklungsländern, haben wir nämlich schnell deutlich mehr Probleme hier bei uns in Deutschland.
Die Fragen stellte Roland Krieg
Lesestoff:
Deutsche Initiative für Agrarwirtschaft und Ernährung in Schwellen- und Entwicklungsländern (DIAE) – German Initiative für Agribusiness and Food Security in Emerging and Developing Countries (GIAF): www.giz.de
1) Welthandel und
BRICS-Gipfel
2) Wie kann man Entwicklungshilfe
effektiver gestalten?
3) Kompetenzzentrum in
Äthiopien
4) „Subsistenz ist kein
Glückszustand"
5) SAFO-Konferenz in Berlin