Wissenschaftler fordern mehr Mut beim Green Deal

Landwirtschaft

Agrarprämien umweltfreundlicher ausgeben

Artenreichtum

Der Weg zur neuen Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU ist noch weit. Erst müssen sich die Länder auf einen Mehrjährigen Finanzrahmen einigen. Solange müssen die Agrarpolitiker von Kürzungen ausgehen.

Artenvielfalt

Unabhängig wie viel Geld für die Agrarpolitik zur Verfügung steht, fordern Wissenschaftler eine Qualitätsoffensive bei den Ausgaben. Die intensive Landnutzung ist nach Analyse des Weltbiodiversitätsrates IPBES die größte Ursache für den Verlust der Biodiversität [1]. An der Vielfalt hängen lebenswichtige Ökosystemdienstleistungen für den Menschen. Dazu zählen die Experten vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) in Halle-Jena neben der Bestäubungsleistung auch die Lücken in der Nahrungskette für Nützlinge in der Schädlingsbekämpfung. Am Ende sinke die Fruchtbarkeit der Böden, Gewässern verunreinigen und der Puffer gegen Klimaextreme wird kleiner.

Für die Bevölkerung wird das Thema immer wichtiger. In einer Umfrage der EU-Kommission haben 92 Prozent der EU-Bürger und 64 Prozent der Landwirte die „zugeringe Unterstützung des Umwelt- und Klimaschutzes“ kritisiert. Das aktuelle Eurobarometer zum Weltbiodiversitätstag bestätigt die Sorgen [2].

GAP grüner machen

Im Herbst 2019 haben 21 Ökologen, Ökonomen und Agrarwissenschaftler eine Petition ins Internet gestellt, die GAP klima- und umweltfreundlicher zu gestalten. Mit mehr als 3.600 Unterschriften von Wissenschaftlern aus 27 EU-Ländern und 36 weiteren Staaten wurde die Petition jetzt abgeschlossen und in einen weitergefassten Artikel für die Zeitschrift People and Nature veröffentlicht.

Grundlage im Herbst 2019 war eine umfassende Literaturstudie von rund 450 Publikationen, welche die aktuelle GAP nach Kriterien wie Effektivität, Effizienz und Relevanz bewerten. Ihr Ergebnis: Die neuen Vorschläge stellen einen klaren Rückschritt gegenüber den bisherigen Regelungen dar. „Sollte die EU es mit ihrer Verpflichtung auf die SDGs [sustainable Development Goals] ernst meinen, müssten diese sich auch in der Landwirtschaftspolitik wiederfinden und entsprechende Indikatoren zur Erfolgsmessung definiert werden“, sagt der iDiv-Ökologe Guy Pe’er. „Das ist nicht der Fall.“ [3].

Chance Green Deal

Anlässlich der neuen Veröffentlichung erneuern die Autoren ihre Forderung. „Die Direktzahlung dienen zurzeit hauptsächlich dazu, die Einkommen der Landwirte zu fördern,“ meint Agrarökonom und Mitautor des Positionspapiers Prof. Dr. Sebastian Lakner von der Universität Rostock. „Das blockiert eine sinnvollere Verausgabung der öffentlichen Mittel und trägt kaum zur Erreichung von Umweltzielen bei.“ Sinnvoller wäre beispielsweise die Erhaltung und Wiederherstellung kleinteiliger Landschaftsstrukturen mit Elementen wie Blühstreifen, Hecken und Grünland. Davon profitieren viele Vögel, Insekten und Säugetiere, die auch der Landwirtschaft zugutekommen. „Der grüne Anspruch dieser Zahlungen und die Wirklichkeit gehen aktuell auseinander“, so Agrarökonom Lakner. „Die EU wertet zwar 40 Prozent der Zahlungen (einschließlich Direktzahlungen) als klimafreundlich, dabei lässt sich lediglich bei 18 Prozent der EU-Zahlungen überhaupt ein Umweltbezug nachweisen und nicht alle Umweltinstrumente sind effizient.“

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat gerade mit dem Klimagesetz den nächsten Schritt für ihren Green Deal eingeleitet. Dieser verspricht „ein klimaneutrales Europa und den Schutz unseres natürlichen Lebensraums“ bis 2050. In dem neuen Artikel [4] heißt es dazu: „Mit einer Neuausrichtung der GAP, die die Landwirte wirksam dabei unterstützt, sich an die Herausforderungen der Nachhaltigkeit anzupassen, könnte die neue Kommission ihre Ambitionen unter Beweis stellen – doch erfordert diese Wende politischen Mut.“ Die Autoren fordern Kommission, Parlament und Rat auf, ihrer Verantwortung für den Schutz der europäischen Agrarsysteme, Landschaften und Menschen gerecht zu werden.

Lesestoff:

[1] Die Artenvielfalt im Anthropozän: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/die-artenvielfalt-im-anthropozaen.html

[2] Umwelt hat einen hohe Priorität in der EU-Bevölkerung: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/arten-und-insektenschutz.html

[3] Guy Pe'er, Yves Zinngrebe et al.: A greener path for the EU Common Agricultural Policy: Science  02 Aug 2019: Vol. 365, Issue 6452, pp. 449-451 DOI: https://doi.org/10.1126/science.aax3146

[4] Guy Pe’er et al. (2020): Action needed for the EU Common Agricultural Policy to address sustainability challenges. People and Nature DOI: 10.1002/pan3.10080

Roland Krieg; Foto: S. Lakner (Uni Rostock)

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