„Wo der Pfeffer wächst“
Landwirtschaft
Visionen ländlicher Entwicklung
Die Entwicklungspolitik ist nie geradlinig verlaufen.
In den 1960er Jahren standen die Kleinbauern und die Grüne Revolution im
Vordergrund, rund 20 Jahre später wurden partizipative Ansätze ausprobiert und
im neuen Jahrtausend fand eine Renaissance der Landwirtschaft statt. Die
neueste Strategie hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (BMZ) in dem Konzept „Entwicklung ländlicher Räume und ihr Beitrag
zur Ernährungssicherung“ gerade erst vorgestellt.
Das Berliner „Seminar für Ländliche Entwicklung“ (SLE)
nahm das Thema zum ländlichen Raum als Motto der diesjährigen
Entwicklungspolitischen Diskussionstage auf. „Wo der Pfeffer wächst“ wurde zum
Synonym, wo kaum noch einer leben möchte und lieber in die Stadt zieht.
Armut als Organisationsproblem
Rund drei Viertel der Hungernden lebt in
einkommensschwachen, ländlichen Gebieten, dort wo auch Nahrung produziert wird.
Prof. Dr. Theo Rauch, am Zentrum für Entwicklungsländerforschung der FU Berlin,
weiß auch genau warum sie arm sind: Die Familie produziert im Jahr rund zehn
Sack Mais, was genug wäre, sich ein Jahr lang zu ernähren. In Regionen mit
saisonalem Geldbedarf, muss sie aber acht Sack Mais verkaufen, um Schulden zu
bezahlen oder anderen Verpflichtungen nachzukommen. Verkauft wird zum
Niedrigpreis. Später im Jahr zahlt die Familie rund das Doppelte für neuen
Mais, um nicht zu verhungern. Dann können sie sich nur noch eine Mahlzeit am
Tag leisten.
Der Bauer hat als individueller Marktteilnehmer in
solchen Regionen keine Chance im Welthandel. Er muss sich organisieren, so
Prof. Rauch. Mehrere Bauern müssen ein Lager aufbauen, so dass der Mais nicht
sofort verkauft werden muss, sie können sich die Transportkosten bis zum
übernächsten Markt teilen, wo die Preise besser sind, oder sie können gemeinsam
sparen und Technik für höhere Ernten einkaufen. Erst der Organisationsgrad
erlaubt eine strategische Marktbeteiligung, die aus der Armutsfalle
herausführen kann.
Genauso wichtig sind Dienstleistungen, die Lagerung und
Transport ermöglichen.
Intensivierungsdruck
Die Zeit bietet mit hohen Nahrungsmittelpreisen eine
einmalige Chance, mit Landwirtschaft Geld zu verdienen, doch die Bauern sind
weg, so Rauch. Jahrzehntelang haben Niedrigpreise für Lebensmittel die Menschen
in die Stadt getrieben. Erst seit der Nahrungsmittelkrise im Jahr 2007, die den
Hunger auch in die Stadt trieb und das Thema ländlichen Raum in den Fokus
rückte, entsteht ein Veränderungsdruck bei den Bauern. Endlich können sie den
Intensivierungsspielraum nutzen, der wegen der Niedrigpreise unbearbeitet
blieb. Die Produktion von Überschüsse habe sich nicht gelohnt.
Intensivierung heiße aber nicht, hochmoderne,
kapitalintensive Technik zu nutzen. Intensivierungsdruck heißt mehr Milch pro
Kuh, mehr Ertrag je Arbeitskraft, mehr Biomasse je Niederschlagsmenge.
Technologiesierung dürfe keine einseitige Richtung aus
den Industrieländern sein, sagte auch Dr. Henri Suter von der Aga Khan
Foundation, der seit 2003 Regionalbeauftragter in Afghanistan ist. Nach seinen
Erfahrungen waren die Technologien am erfolgreichsten, die sich die Bauern
selbst ausgesucht haben. Die Aga Khan Foundation hat den Bauern im Inland und
aus Auslandsreisen Bewässerungstechnik oder neue Obstsorten zur Auswahl
angeboten. Angenommen wurden Innovationen, die den Bauern am meisten gefallen
haben. Die sind noch heute in Gebrauch.
Blick aufs große Ganze
In den letzten Jahrzehnten wurde die Entwicklungshilfe
modularisiert, so Dr. Stefan Schmitz aus dem BMZ. Der Blick auf das Ganze mit
seinen vielfältigen Beziehungen müsse wieder stärker in den Vordergrund gerückt
werden. Nicht die Bewässerungsanlage steht im Fokus, sondern nun auch der vor-
und nachgelagerte Bereich des landwirtschaftlichen Produktes. Das neue Konzept
des BMZ will diesen multiplen Ansatz widerspiegeln. Dabei gibt es nur Weniges,
was als neuer Ansatz aufgenommen wurde. Dau gehört vor allem die
Eigenverantwortung der Partnerländer, dann das recht auf Nahrung und
schließlich die Paris Agenda zur Steigerung der
Entwicklungseffizienz. Bei der stärkeren Eigenverantwortung legt das BMZ-Papier
Wert auf einen Reformprozess, der vier Säulen beinhaltet: Wirtschaftsförderung,
Schutz der natürlichen Ressourcen, soziale Dienste und Stärkung der
Infrastruktur im ländlichen Raum.
Den partizipativen Ansatz begrüßte Carolin Callenius
von Brot für die Welt. Die international vernetzte Zivilgesellschaft spiele
eine große Rolle bei der Ausgestaltung der Entwicklungshilfe. Entscheidend sei
heute nicht mehr die Frage, ob gefördert wird, sondern wie gefördert wird.
Callenius sieht vor allem bei den großen Konzernen, die mit einem kompletten
Technologiepaket an den Bedürfnissen der Bauern vor Ort vorbeiplanen eine
Gefahr, die falsche Richtung einzuschlagen.
Privatwirtschaft
Die neue Entwicklungshilfe schließt die Privatwirtschaft ausdrücklich mit ein. „Landwirtschaft ist im Kern private Wirtschaft“, so Dr. Schmitz. In bestimmten Regionen habe die Privatwirtschaft oftmals Vorteile, ergänzt Dr. Rauch. Kooperationen und Genossenschaften leiden oftmals an Korruption und Funktionärswesen. Die private Wirtschaft komme aber oftmals erst, wenn ein Mindestmaß an Infrastruktur vorhanden ist und das Produkt in globale Wertschöpfungsketten eingespeist werden kann.
Lesestoff:
Das Postgraduiertenstudium Internationale
Zusammenarbeit finden Sie unter www.sle-berlin.de
Das neue BMZ-Konzept steht auf www.bmz.de
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