Wo ist oben, wo ist unten?

Landwirtschaft

Ein neuer Regulationsmechanismus in Pflanzenzellen

>Wenn der Samen in den Boden kommt, so ruht er noch. Mit dem Beginn der Wasseraufnahme quillt er und Enzyme werden aktiv. Die Mobilisierung der eingelagerten Reservestoffe und das Keimlingswachstum werden hormonell gesteuert. Und, so berichten Wissenschaftler von der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen, die Pflanze muss an ihrem Standort von der ersten Zelle an zurechtkommen: nach unten muss sie Wurzeln bilden, um sich im Boden zu verankern und der Stängel sollte in die andere Richtung wachsen, sich verzweigen und die Blätter optimal zum Licht ausrichten. Auch das steuern Pflanzenhormone und diese Prozesse vor allem das Auxin.

Phytohormon Auxin
Neben den Pflanzenhormonen Gibberelline, Zytokinine und Abscisinsäure ist das Auxin das Wichtigste. Chemisch gesehen ist es ein Derivat der Indolessigsäure und fördert das Streckenwachstum, stimuliert die Zellteilung, fördert die Wurzelbildung und ist mitverantwortlich für die Apikaldominanz. Letztere beschreibt die Beobachtung, dass die Triebspitze normalerweise schneller wächst als die Seitentriebe.
Auxin ist in der Pflanze ungleich verteilt und gibt auf diese Weise das Signal zur Ausbildung einer Achse oder beim späteren Wachstum zur Bildung und Ausrichtung der Seitenorgane. Dabei nimmt das Hormon über eine ganze Reihe von Schritten Einfluss auf die Aktivität der Gene in den Zellen. Das Auxin haben Tübinger Wissenschaftler vom Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen schon länger untersucht. So haben sie früher bereits entdeckt, dass für den Auxintransport die so genannten PIN-Proteine zuständig sind.
Nun sind Tomasz Paciorek, Dr. York-Dieter Stierhof und Jürgen Kleine-Vehn zusammen mit Kollegen aus Prag, der RWTH Aachen und der Universität Southampton einer weiteren Wirkungsweise des Auxins auf die Spur gekommen: Das Pflanzenhormon nimmt in einer Rückkopplungsreaktion auch auf seinen eigenen Transport Einfluss. Dieser zellbiologische Mechanismus war in dieser Art nur von tierischen Zellen bekannt.

Verschiedene PIN
Von den PIN-Proteinen, die für den Transport des Auxins zuständig sind, gibt es mehrere unterschiedliche Typen. So findet sich PIN1 zum Beispiel unten, PIN2 oben und PIN3 seitlich in der Zelle. Sie sorgen dafür, dass das Auxin nur in einer Richtung weiter transportiert wird und sich an bestimmten Stellen konzentriert. Dadurch wird nicht nur in der einen Zelle festgelegt, wo oben und unten ist. Über den ungleichen Abtransport des Auxins in Nachbarzellen werden auch diese in ihrer Orientierung beeinflusst. So kann sich in vielen kleinen Schritten die Gestalt der Pflanze herausbilden.
Dabei sitzen die PIN-Proteine in der Plasmamembran, der äußeren Hülle der Zelle. Die Tübinger Forscher haben festgestellt, dass sie aber nicht unbeweglich sind. Ständig schnüren sich Stücke der flexiblen Zellmembran nach innen ein, lösen sich als runde Vesikel ab und treiben in das Zellinnere zu den Endosomen, kleinen Zellorganen. Diesen Vorgang nennen die Zellexperten Endocytose, während der Prozess als Exocytose auch umgekehrt funktionieren kann ? die Vesikel verschmelzen wieder mit der Zellmembran. Ein üblicher Transportweg in der Zelle.
Damit herrscht ein reger Verkehr bei dem die PIN-Proteine zusammen mit weiteren Proteinen ständig zwischen er Zellmembran und den Endosomen kreisen. Das Auxin können die PIN-Proteine allerdings nur transportieren, wenn sie in er Zellmembran sind.

Entdeckung in der Pflanzenzelle
Von tierischen und pflanzlichen Zellen war bekannt, dass ein solcher ständiger Proteinverkehr innerhalb der Zelle bestimmten Hormonen Regulierungsmöglichkeiten bietet, zum Beispiel beim Insulin. Tatsächlich konnten die Tübinger jetzt nachweisen, dass in der Modellpflanze der Genetiker, der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), das Hormon in den ständigen Proteinverkehr eingreift. Es hemmt die Endocytose, sodass die PIN-Proteine länger in der Zellwand verbleiben und das Auxin auf diese Weise seinen eigenen Abtransport über die Exocytose fördert.
Reagiert die Pflanze auf die Schwerkraft (Gravitropismus) stellen die Wissenschaftler einen ungleichen Auxintransport fest, der mit einer geringeren Konzentration an PIN-Proteinen in den Endosomen einhergeht.
Das Auxin zeigte als einziges Phytohormon solche Auswirkungen. Die Wissenschaftler haben die Zellmembran sogar mit einem fluoreszierenden Farbstoff markiert und konnten so unter dem Mikroskop die Endocytoseaktivität direkt beobachten. Bereits mehrfach haben die Tübinger in der Fachzeitschrift Nature über ihre Ergebnisse berichtet. Zuletzt im Band 435, Seiten 1251 - 1256, 2005.

roRo

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