Wohin mit den Gärresten aus der Biogasanlage?

Landwirtschaft

Biogas-Gärreste wertgebend für Acker und Pflanzen verwenden

In Deutschland stehen rund 8.000 Biogasanlagen mit einer installierten Leistung von vier GW. Die erzeugen neben Strom und Wärme etwa 80 Millionen Tonnen Gärreste im Jahr. Hinzu kommen etwa 90 Millionen Tonnen Wirtschaftsdünger aus der Tierproduktion, die jährlich auf den Feldern verteilt werden.

Auch wenn das EEG aus dem Jahr 2014 den Boom bei Biogas gestoppt hat, muss diese Menge verwertet werden. Weil die Gärreste wichtige Nährstoffe beinhalten, scheint die pflanzenbauliche Verwertung als Dünger gut geeignet zu sein. Aber vor dem Hintergrund der europäischen Nitratrichtlinie und der damit verbundenen Novelle der Düngeverordnung stellen sich neue Fragen, deren Antworten die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) in einem zweitägigen Seminar in Berlin zu finden suchte. Dr. Steffen Daebeler, Leiter des FNR-Projektmanagements, versprach, dass die Forschung über Gärreste bleibt, „weil sich Rahmenbedingungen auch wieder ändern können“. Von rund 350 FNR-Forschungsprojekten zu Biogas beschäftigen sich alleine 13 mit einem Forschungsvolumen von 3,8 Millionen Euro mit Gärresten.

Das Nitratproblem

49 Prozent der Trinkwasserbrunnen im Belastungsnetz weisen mehr als 50 Milligramm Nitrat pro Liter Wasser auf. Über diese Zahl kann gestritten werden. Pro 500 Quadratkilometer ist mindestens eine Grundwassermessstelle nach Angaben der Europäischen Umweltagentur (EUA) einzurichten. In Deutschland gibt es derzeit rund 800 solcher EUA-Messstellen. Deutschland wollte sich in den 1990er Jahren mustergültig erweisen und richtete „risikoorientiert“ ein Belastungsnetz ein, wo die Nitratanreicherung höher sein kann. Dieses Belastungsnetz besteht aus etwa 150 Messstellen, von denen die Hälfte den Höchstwert an Nitrat überschreitet. Das Deutschland nicht anhand der EUA-Messstellen bewertet wird, sei daher selbst verschuldet, führte Hubert Honecker aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium aus.

Dennoch will niemand das Stickstoff-Problem negieren, das dort am größten ist, wo Biogasanlagen stehen, hohe Tierzahlen sind oder intensiver Gemüseanbau ist. Nach Honecker umfasst das etwa 28 Prozent der Fläche Deutschlands. Dazu gehören aber auch Regionen wie Franken, die weder Biogasanlagen, hohe Tierzahlen aufweisen oder für den Gemüsebau berühmt sind. Das sind Gebiete mit niedriger Grundwasserneubildung.

Nach langem Verständigungsprozess hat sich die Novelle der Düngeverordnung herausgebildet, die derzeit abgestimmt wird. Die Düngebedarfsermittlung wird weiter entwickelt, das Zeitfenster für die Herbstausbringung der organischen Dünger wird eingeschränkt und die Länder erhalten die Möglichkeit, in besonders belasteten Regionen zusätzliche Maßnahmen durchzuführen. Es geht nicht nur um Stickstoff. Ab 2018 sollen phosphathaltige Dünger auf hoch mit Phosphor versorgten Böden nur noch bis zu 75 Prozent der Nährstoffabfuhr und ab 2020 nur noch 50 Prozent der Nährstoffabfuhr aufgetragen werden. Vor allem für tierhaltende Betriebe werde das ein Problem, prognostiziert Honecker.

Für tierreiche Betriebe mit mehr als 2.000 Mastschweineplätzen oder mehr als drei Großvieheinheiten je Hektar wird eine noch zu erarbeitende „Hoftorbilanz“ eingeführt.

Über organischen Dünger darf nur noch bis 170 Kilogramm je Hektar ausgebracht werden. Die Derogation läuft aus. Der Bund will aber beim Stickstoffausschuss der EU einen Antrag für tierischen Dünger stellen. Bei pflanzlichem Dünger können die Mitgliedsländer selbst entscheiden, ob sie die Derogation bis 230 Kilogramm einführen.

Die Derogation bezeichnet die Möglichkeit, mehr Stickstoff auszubringen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. So brauchen intensiv bearbeitetes Grünland und Ackergrasflächen mit mindestens vier Schnitten im Jahr mehr Stickstoff. Weidelgrasreiche Intensivflächen vertragen ohne Probleme bis zu 300 kg N pro Hektar, ohne dass es zu erhöhten Stickstoffverlusten kommt.

Aufarbeitung der Gärreste

Gärreste sind sehr wasserhaltig. Das schmälert die Transportwürdigkeit und verdünnt die enthaltenen Nährstoffe. Schon länger von den tierischen Wirtschaftsdüngern bekannt, sind verschiedene Verfahren der Aufbereitung, die Dr. Sebastian Wulf vom Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) beschrieb. Ziel ist auf der einen Seite möglichst viele Nährstoffe im Endprodukt der Aufbereitung zu haben, zum anderen das abgetrennte Wasser in einer Form zu erhalten die im günstigsten Falle Einleitqualität hat. Daran sind die Verfahren qualitativ zu unterscheiden.

Die Grundvoraussetzung ist das Separieren in eine Trockensubstanz-reduzierte Flüssigphase, die in manchen Fermentern wieder zurückgeführt werden muss. Wasserlösliche Nährstoffe und vor allem Stickstoff verbleiben in dieser Phase, während organisch gebundener Stickstoff und Phosphor in die abgetrennte Festphase wandern. Auf mit Phosphor gut versorgten Flächen eignet sich die Ausbringung der Flüssigphase.

Die Festphase kann anschließend getrocknet werden, was über die Abwärme der Biogasanlage besonders günstig gestaltet werden kann. Die geringen Trockensubstanzgehalte in der Flüssigphase erleichtern die Lagerung und Ausbringung des Gärrestes. Je nach Bedarf, kann diese Phase weiter im Volumen reduziert oder mit Nährstoffen angereichert werden.

Das weitestgehende Verfahren für die Flüssigphase ist die Schaltung verschiedener Membranen mit einer abschließenden Umkehrosmose. Am Ende separieren sich ein mit Ammonium und Kalium angereichertes Konzentrat und ein Permeat, das nahezu einleitfähig in den Vorfluter ist. Mit zunehmender Behandlung und Technikaufwendung steigen die Kosten. Membranen können je nach Nutzungsdauer sehr teuer werden, beschreibt Dr. Wulf. Die Entscheidung nach dem Aufbereitungsweg muss sich am Verwertungsweg orientieren. Technisch robust seien derzeit nur Separation und Trocknung.

Verkapselt

Prof. Dr. Satyanarayany Narra von der Fachhochschule Lübeck spart sich in einem mittlerweile patentierten Verfahren jegliche Auftrennung in fester und flüssiger Phase. Jede Form der Lagerung kostet Geld und verringert die Düngewirkung. Seine Überlegung war, feste und flüssige Phase gemeinsam einzukapseln und mit Hilfe verschiedener Bindemittel auf das Feld zu bringen.

Die Mikroverkapselung ist ein gängiges Verfahren, was sich bei Gärresten allerdings nicht anbot. Das Substrat ist zwischen einem und zehn Zentimeter lang und hat einen Durchmesser bis zu einen Zentimeter. Das Zerkleinern der Gärreste hat sich der Umwelt- und Klimatechniker auch noch gespart und kann jetzt Düngemittelkapseln herstellen, die feste und flüssige Phasen mit allen Nährstoffen aus dem Gärrest enthalten. Das geschieht auf einem Pelletierteller und dem Einsatz von Bindemitteln, die bodenverträglich und biologisch abbaubar sind. Wie Stärke, Kalk oder Gelatine. Die Kapseln bauen sich langsam ab und können die Nährstoffe aus den Gärresten langsam über einen längeren Zeitraum abgeben. Sie wirken wie ein Düngerdepot.

Der nächste Schritt ist ein „Upscaling“ der Technik, was zusammen mit den Hochschulen in Cottbus und Rostock durchgeführt wird.

Roland Krieg

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