Wohnen mit Holz, Hanf und Stroh
Landwirtschaft
Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen
Bauen
mit nachwachsenden Rohstoffen ist nach Dr. Andreas Schütte, Geschäftsführer der
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR), zu wenig bekannt, weil es zu wenige
Beispiele gibt. Dabei sind Häuser aus Holz die ältesten, die gefunden und wie
die Pfahlbauten am Bodensee auch gerne besichtigt werden.
Häuser aus Holz
Ludger
Dederich vom Holzbau-Deutschland-Institut blickte am Freitag auf der FNR-Tagung
zum Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen auf der bautec-Messe in Berlin noch
weiter zurück. Im Iran wurden noch vor der griechischen Antike Bauernhäuser aus
Holz gebaut, die Säulen, Kapitelle und die Überleitung zur quadratischen
Deckplatte aus nebeneinander gelegten Rundhölzern und aufliegenden Lastbalken
in der Deckenkonstruktion aufweisen und damit die antike Tempelbauweise vorweg nahmen.
Doch
auch noch heute stehende und moderne Bauten greifen den Baustoff Holz auf. Die
Döcker-Turnhalle in Wuppertal entstand 1911 als Musterhaus auf der Dresdner
Hygieneausstellung. Das Gebäude wurde im Systembau mit parabelförmigen
Leimholzbogenbindern erstellt und fand dann später seinen endgültigen Platz „Am
Hedtberg“ in der Stadt mit der Schwebebahn.
Im
gleichen Jahr wurde auch der Kopenhagener Hauptbahnhof fertig gestellt, dessen
dreischiffige Holzdachkonstruktion einen Meilenstein im Ingenieurholzbau darstellt.
Bei
der Modernisierung der Ford-Siedlung im Kölner Norden wurde zur energetischen
Sanierung eine Aufstockung in Holzbauweise mit 81 neuen Wohnungen gefertigt.
Warum
Beton und Stahl den nachwachsenden Rohstoff verdrängt haben ist nicht ganz
nachvollziehbar. Im Jahr 2009 wurde das siebengeschossige Holzhaus in der
Berliner Esmarchstraße mit dem Holzbaupreis geadelt.
Die
Beispiele zeigen nach Dederich die Wandlungsfähigkeit des Baustoffes und seiner
Architekten. Holz ist auf zellulärer Ebene bereits ein Verbundwerkstoff, den
Menschen bislang noch nicht im Original haben nachbauen können. Angefangen mit
der Massivbauweise des Blockhauses über die Skelettbauweise des Fachwerks, das
ganze Städte wie Goslar charakterisiert, bis hin zur Rahmenbauweise mit „Gefache“,
in die beispielsweise Strohballen eingelegt werden können, zieht sich die
Geschichte der „Holzarchitekten“. Die Wuppertaler Turnhalle und der
Kopenhagener Bahnhof zeigen die spielerischen Möglichkeiten architektonischer
Ideen.
Trotzdem
gibt es noch erheblichen Forschungsbedarf. Meist wird Nadelholz auf dem Bau
verwendet, doch der klimastabile Waldumbau wird zu mehr Laubholz im deutschen
Wald führen. Dafür fehlen jedoch noch die Vermarktung- und
Verwendungsstrukturen, so Dederich.
Forschungsbedarf und Innovationen
Das
Beton und Stahl den Holzbau abgelöst haben, definiert Eckhardt Klopp von der FNR mit zwei
Begriffen: Brandschutz und Dauerhaftigkeit. Die Zukunft des Bauholzes wird im
Verbund mit anderen Stoffen liegen, um den Anforderungen auch des Hochbaus entgegenzukommen.
Calciumsulfat ist die chemische Bezeichnung von Anhydrit, einem weichen
Mineral. Im Verbund mit Holz können die neuen Verbundstoffe sehr gute
Tragfähigkeiten aufweisen.
Im
Bereich des Brandschutzes wird das Fluchttreppenhaus des FNR-Neubaus mit Hilfe
von Überdruck 30 Minuten für die Rettung rauchfrei gehalten.
Bei
Dämmstoffen sind die Werte noch verbesserungsbedürftig.
Nachhaltigkeit
Die
Tagung wollte vor allem unterstreichen, dass nachwachsende Rohstoffe mehr als
nur Holz sind. Vor allem bei den Dämmstoffen gibt es viele, auch exotische,
Ausgangsstoffe. Schafwolle wird als Nebenprodukt der Fleischgewinnung genutzt,
Flachs und Hanf sind neben Schilf traditionelle Naturstoffe, die zu
verschiedenen Dämmmaterialien verarbeitet werden können. Exotischer sind schon
Wiesen- und Seegras. Die Grascellulosefasern nehmen wenig Wasser auf und weisen
hervorragende schalldämmende Eigenschaften auf. Die Flammschutzausrüstung wird
im Nassverfahren auf die Halme gebracht, wobei das Wiesengras seine hohe
Atmungsaktivität nicht verliert.
Für
das Seegras werden so genannte Neptunbälle genutzt, die im Mittelmeerraum am
Strand in der Sonne trocknen. Sie sind die abgestorbenen Blattrippen des
Seegrases Posidonia oceanica, das in drei bis 40 Meter Wassertiefe wächst. Wind
und Wellen formen sie zu Kugeln, die zur Homogenisierung als Dämmmaterial
zerkleinert werden. Der hohe Silikatgehalt macht die Seegrasdämmung schwer
entflammbar.
Jedoch
beklagt Herbert Danner vom Bauzentrum München, dass die ökologischen Dämmstoffe
und deren Produktionskosten nicht mit der allgemeinen Entwicklung im Markt
mithalten. Zwei Drittel der Dämmstoffe sind noch immer Polystyrol und zu
weiteren 13 Prozent wird Steinwolle in die Wand gesteckt. Für Danner ein
tabuisiertes Thema, denn diese Dämmstoffe sind ein Mix aus verschiedenen
Giften, für die es kein Entsorgungskonzept gibt. In 30 bis 40 Jahren kämen
ungelöste Probleme im Wohnungsbau in Deutschland zu und bezieht sich auf eine
Entsorgungsstudie des Katalyse-Instituts1). Das relativiere die derzeitigen
Preisunterschiede der konventionellen Dämmstoffe. Ein Kubikmeter Polystyrol
kostet rund 73 Euro je Kubikmeter, Holzweichfaser etwa 123 Euro. Letzteres kann
jedoch in der Kaskadennutzung einem Stoffkreislauf wieder zugeführt werden.
Das Haus aus Stroh
Auch
Dirk Scharmer vom Fachverband Strohballenbau blickte zurück. Die Erfindung der
Strohballenpresse führte 1908 in Nebraska bei den Landarbeitern zum ersten
dokumentierten Haus aus Strohballen. Sie wurden wie überdimensionierte
Ziegelsteine zusammengesetzt, waren äußerst preiswert und einzelne Exemplare
stehen noch heute. 1921 baute ein Apotheker sich in Frankreich sogar ein zweigeschossiges
Gebäude. Die Strohballen wurden in Holzfächer gedrückt und von außen mit Kalk
witterungsbeständig verputzt. In Österreich wurde mit dem „S-House“ ein Gebäude
mit Strohwand in ein modernes Architekturkonzept umgesetzt. Im Gesamtkonzept
wurde der Energieverbrauch auf ein Zehntel der für die konventionelle Bauweise
zu veranschlagenden Menge reduziert. In Deutschland stehen auch bereits die
ersten dreigeschossigen Wohngebäude auf Strohbasis.
Das
Bauen mit Stroh hat sich seit Nebraska weiter entwickelt. Mit Dachüberhängen
und Holzfassaden trotzt die Holzrahmenbauweise mit gepresstem Stroh nicht nur den
Witterungsbedingungen. Stroh als Dämmstoff hat auch schon die „Allgemeine
bauliche Zulassung“ erteilt bekommen. Der Dachverband will den Strohbau weiter
voranbringen.
Das
Zertifikat
Naturstoffe
allein versprechen keine Gesundheit, schränkte Karl-Heinz Weinisch vom Institut
für Qualitätsmanagement und Umfeldhygiene ein. Auch Naturstoffe emittieren
volatile organische Verbindungen (volatile organic compound, VOC), die sich in
der Raumluft anreichern. Beispielsweis aus baumeigenen Harzen. Viele
Naturstoffe werden durch Kleber zum Emittenten. Auch sie sind irgendwann einmal
wasserdampfgesättigt und bilden Schwarzschimmel durch Kondensation von
Atemluft.
Für
nachwachsende Baustoffe gelten die gleichen Auswirkungen, wie sie für die
energetische Biomasse im Vergleich zum Nahrungsmittelanbau negativ wirken
können: Dünger, gentechnisch veränderte Pflanzen, Flächenkonkurrenz, indirekte
Landnutzungsänderung und Erntetechnik können nach Uwe Welteke-Fabricius vom
Internationalen Verein für zukunftsfähiges Bauen und Wohnen natureplus e.V. die
Ökobilanz verhageln.
Daher
wurden 2002 vier bestehende Zertifikate für ökologisches Bauen in das Siegel „natureplus“
überführt – das jedoch kein Siegel ist. Nach Welteke-Fabricius ist das Zeichen
eine einfache praxistaugliche Orientierung für Verbraucher, auf Baustoffe
oberhalb des Mindeststandards zurückgreifen zu können. Wegen des Kriteriums „Gebrauchstauglichkeit“
reicht ein Mindestanteil an nachwachsenden Rohstoffen von 85 Prozent.
Holzbauplus
Damit das Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen Alltag wird, startete das Bundeslandwirtschaftsministerium auf der bautec den Wettbewerb Holzbau Plus für Architekten, Fachplaner und Bauunternehmen. Auch mit einer Bausanierung können sie sich bis Jahresende mit einem Projekt bewerben. Auf der Grünen Woche 2013 werden die Gewinner ausgezeichnet und die Baulandschaft hat ein paar Beispiele mehr – für das ökologische Bauen.
Ökobau
macht Schule
Wer baut braucht auch Baumeister. Auf der bautec demonstrierte das Deutsche Baugewerbe mit zahlreichen Bauberufen, dass ökologisches Bauen auch schon Eingang in die Ausbildung gefunden hat. Maurer in Ausbildung haben eine ganze Lehmwand mit Fachwerk gebaut und machen gerade Platz für das Logo der Berufsoberschule an der Knobelsdorff-Schule in Berlin-Spandau. Die Berliner bieten beispielsweise die Ausbildung zum Holz- und Bautenschützer an oder im Fachbereich Technik den Schwerpunkt Bau- und Holztechnik. Die Lehrlinge am Stand sehen in der ökologischen Spezialisierung eine echte Alternative im Baugewerbe.
Lesestoff:
Das Internet-Tor zum Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen bietet die FNR: www.fnr.de
Details zum Wettbewerb finden sie unter www.holzbauplus-wettbewerb.de
1) KATALYSE Institut für angewandte Umweltforschung; Informationsbroschüre „Umweltverträglichkeit von Gebäudedämmstoffen“; 06/2003; Ministerium für Umwelt, Natur und Forsten des Landes Schleswig-Holstein, Kiel; Der Ratgeber befasst sich auch ausführlich mit den abfallwirtschaftlichen Eigenschaften der Dämmstoffe.
Das siebengeschossige Haus in Berlin finden Sie digital unter www.e3berlin.de
Den Fachverband Strohballenbau: www.fasba.de / www.s-house.at
Roland Krieg (Text und Fotos)