Wolfgang Burtscher im EU-Agrarausschuss

Landwirtschaft

Ergeben F2F, Biodiversität, Green Deal und GAP ein Bild?

Wolfgang Burtscher

Der österreichische Jurist Wolfgang Burtscher ist seit diesem April neuer Generaldirektor der Generaldirektion Landwirtschaft bei der EU. Im Jahr 2005 war er drei Monate Mitglied des österreichischen  Verfassungsgerichtshofes. Ab 2000 war er in der GD Agri für mehrere Agrarthemen verantwortlich. Die Generaldirektionen der EU unterstehen den jeweiligen Kommissionen. Die GD Agri ist für die Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) verantwortlich. Am Dienstag hatte der EU-Agrarausschuss Burtscher zu Gast und die Parlamentarier nahmen die Gelegenheit für kritische Fragen wahr.

Komplexe Aufgaben

Nach Vorstellung der Farm-to-Fork-Strategie (F2F) und der Biodiversitätsstrategie in der vergangenen Woche, auf dem Weg zur GAP-Reform 2023 und nur einen Tag vor Vorstellung eines neuen Mehrjährigen Finanzrahmens der EU (MFR) malte Burtscher ein umfassendes Bild dieser Teile. F2F und Biodiversität müssen als zentrale Bestandteile des Green Deals zur GAP passen und in einem ausreichend für die Landwirtschaft ausgestattetem MFR stattfinden. An den Reformplänen der GAP aus dem Jahr 2018 werde nichts mehr verändert. F2F und Biodiversität sind Vorgaben für die strategischen Pläne der einzelnen Mitgliedsländer, die damit ihre individuelle GAP umsetzen müssen. Es gibt nach Burtscher durchaus noch Sorgen, weil die Mitgliedsländer der EU auf unterschiedlichem Niveau arbeiten. Die einen haben mehr Ökolandbau, die anderen nutzen weniger Pflanzenschutzmittel, die einen sind mit der Nutztierstrategie weiter als andere. Ziel sei es, eine gemeinsame Baseline zu finden, damit die Zielvorgaben gleichwertig von allen erreicht werden können.

Mehr Farm als Fork

Der Südtiroler Herbert Dorfmann von der EVP und der sozialdemokratische Italiener Paolo de Castro sind kritisch. „Es stehen viele vernünftige Dinge drin“, lobt Dorfmann die beiden Strategien, aber zusammen mit de Castro habe F2F mehr Wert auf die Farm und zu wenig auf die Gabel gelegt. Die Koordinatoren der beiden größten Parteien im Europaparlament befürchten Auflagen und Belastung für die Landwirte, aber keine gleichwertige Verpflichtung für die Konsumenten. Beide Strategien haben keine demokratische Legitimation und haben den Anspruch, die GAP zu unterstützten. Damit würde die Kommission ihre Pläne mit eigenen Strategien untermauern und das Europaparlament hat nur die Möglichkeit, mit einem Initiativbericht darauf zu reagieren. Über die DG Agri hätte das Parlament eine gute Gelegenheit, auf die GAP gestaltend einzuwirken, ergänzte die Liberale Ulrike Müller. Der grüne Martin Häusling schlägt in die gleiche Kerbe: „Da ist das Europaparlament völlig außen vor.“

Denn am Ende werden die einzelnen Länder mit ihren Strategieplänen direkt mit der Kommission die GAP aushandeln. Ohne Brüsseler Parlament. Neu ist das Argument nicht, aber so übereinstimmend wie diesen Dienstag waren die Aussagen der meisten Fraktionen selten.

F2F und die die Strategie zur Biodiversität wurde nach dem Kommissionsvizepräsidenten Frans Timmermanns von der Kommissarin für Lebensmittelsicherheit und dem Umweltkommissar vorgestellt. Allen Agrar-Abgeordneten fehlt die Sichtbarkeit des Agrar-Kommissars Janusz Wojciechowski. Die Sozialdemokratin Clara Agiulera aus Spanien formulierte gar grundsätzliche Zweifel am EU-Agrarkommissar. Der Reform-Stand von 2018 reiche nicht. Die Europäer bräuchten eine GAP, die zu F2F und zur Biodiversität passe, sagte der französische Sozialdemokrat Eric Andrieu. „Jetzt müsse die GAP verbessert werden und nicht irgendwann“, so Häusling. F2F fordere zwar mehr Ökolandbau, aber es fehlten Gelder in der zweiten Säule für die Umsetzung.

„Whole of Government“-Prozess

Die politische Auseinandersetzung mit dem Europaparlament beginne jetzt, verteidigte Burtscher die verschiedenen Pläne. Wären F2F und die Strategie zur Biodiversität ebenfalls als Verordnung formuliert worden, hätten sich die Parlamentarier auch beschwert.

F2F entlasse die Konsumenten nicht aus ihrer Pflicht. „Die sind ganz entscheidend für die Zukunft der Wertschöpfungskette“, so Burtscher. Beide Strategien seien Mitteilungen an den Rat, und damit an die Länder, und das Parlament. Jetzt sei die Zeit sich „sehr klar dazu zu äußern. Für eine Umsetzung braucht es zahlreiche Anstöße aus den einzelnen Ländern.“

Die von den Ländern eingeforderten Strategiepläne „lassen eine tiefe und innere Reflexion über die Vorschläge zu.“  Der Brüssel-erfahrene Diplomat bezeichnet das Puzzle von F2F, Biodiversität, Green Deal, MFR und GAP im Zusammenspiel von Kommission, Rat und den Parlamenten als „Whole of Government“-Prozess. Der Begriff geht auf den britischen Premier Toni Blair zurück, der um die Jahrtausendwende den gesamtstaatlichen Ansatz aller Ministerien und Dienststellen bis auf die untersten Behörden, für Lösungen politischer Fragestellungen beschwor.

Die GAP-Strategiepläne müssen die Umsetzung der Agrarpolitik individuell auf ihre Situation bezogen formulieren, so Burtscher. Was macht die EU in Zukunft noch? Das vermag die Antwort des Österreichers auf die Frage verdeutlichen, wie künftig die Kontrollen vor Ort gestaltet werden: Die amtlichen Prüfsysteme der Länder müssen funktionieren. „Wir werden nicht mehr die Landwirte prüfen. Es tauchen auf den Betrieben keine EU-Kontrolleure mehr auf.“  Brüssel begleitet die nationalen Erfolgskontrollen nur noch.

Roland Krieg; Foto: Screenshot aus dem Agri-Ausschuss

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