Wozu brauchen wir Direktzahlungen?

Landwirtschaft

Agrar-Direktzahlungen: Hilfe oder Bremse?

Das Europaparlament tastet sich an die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik heran. Diese Woche hat der Agrarausschuss des Parlaments über das Thema Direktzahlungen diskutiert.

50 Jahre Erfolglosigkeit

Alan Swinbank, Agrarökonom der britischen Universität Reading, erinnerte daran, dass die Direktzahlungen, die heute im Rahmen der ersten Säule der Agrarpolitik ausgezahlt werden, einst eine „ad hoc“ – Lösung waren, um Bauern eine Lösung für Einkommensverluste anzubieten.
Die Direktzahlungen als politische Lösung seien aber nicht nachhaltig, denn noch immer seien die Landwirte auf sie angewiesen. Swinbank sieht in der andauernden Zahlungsmodalität sogar ein Scheitern des ursprünglichen Konstrukts, für das es keine ökonomische Berechtigung gebe. Die vor- und nachgelagerten Bereiche haben sich mittlerweile auf die Zahlungen aus der EU eingestellt. Wer Land verpachtet könne von vornherein einen höheren Preis einkalkulieren, denn der Pächter bekomme ja eine Prämie von der EU. Desweiteren zahle die EU Gelder für Leistungen, die sowieso verpflichtend wären, wie die Umweltmaßnahmen der Cross Compliance. Auch das mache ökonomisch wenig Sinn.
Die Begründung, dass die europäischen Bauern mehr Geld für höhere Standards bekommen müssten, sei entlarvend, denn wenn die ausländischen Waren mit geringeren Standards gefährlich wären, dann sollte dieses Problem an der Außengrenze der EU gelöst werden und nicht mit Zahlungen an die europäischen Bauern. Die Fortführung der Direktzahlungen bei der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik ab 2014 sie das Festhalten an einem „Plan B“. Die Zahlungen verhinderten einen wirklichen Strukturwandel in der Landwirtschaft, auf zusätzliche Gelder verzichten zu können. Das sei eine rein politische Entscheidung, ökonomisch ohne Sinn, so Swinbank. Zumal der Haushalt offenbar bis 2020 im gleichen Budget weiter geschrieben werde, was faktisch einer Kürzung durch Inflation gleich komme.
Problematisch sei außerdem, dass Direktzahlungen in der WTO kritisch gesehen werden und nach Swinbank keine Zukunft haben. Die Kopplung an den „aktiven Landwirt“ würde den WTO-Regeln widersprechen.
Swinbanks Blick in die Zukunft sieht eine unendliche Reformkette der Agrarpolitik voraus. Während die europäischen Steuerzahler nach dem Mitteleinsatz fragen, fragten Drittländer nach der Wettbewerbsverzerrung durch Direktzahlungen.

Welche Landwirtschaft wollen wir?

Deutliche Kritik an dem Vortrag äußerte Martin Häusling von den deutschen Grünen. Ohne Direktzahlungen würden die Bauern nur noch die Hälfte des Einkommens erzielen und keine Landbewirtschaftung mehr durchführen. In den USA gebe es nur rund 700.000 Betriebe, von denen, so Häusling, nach amerikanischen Vorstellungen die Hälfte noch zu viel sei. In Europa hingegen gibt es noch immer 12 Millionen Bauern, die eine flächendeckende Landbewirtschaftung auch in den Regionen durchführen, die wegen ihrer natürlichen Ausstattung mehr Aufwand erforderten. Der polnische Christdemokrat Jaroslaw Kalinowski unterstützt diese Argument: Eine Landwirtschaft, die ohne Direktzahlungen auskommen soll, wollten wir nicht.
Richtig allerdings sei, so Häusling weiter, dass Direktzahlungen auch „bei den Falschen“ ankomme, weswegen Degression und Kappung für einen Ausgleich sorgten. Mit Blick auf die WTO fühlt sich Häusling sicher. Europa wurde bislang noch nicht verklagt. Zudem sei die Doha-Runde derzeit kein Thema, eher die vielen bilateralen Abkommen, die weltweit geschlossen werden.
Der französische Christdemokrat Michel Dantin sieht die WTO in einem Wandlungsprozess. Sie sei nicht mehr der kommerzielle Klub von einst, sondern würde sich den Vorstellungen der G20 und der FAO annähern.

Interne Wettbewerbsverzerrung

Herbert Dorfmann, Christdemokrat aus Italien, erkennt jedoch auch, dass Maßnahmen wie Cross Compliance oder jetzt das Greening nur Erfindungen seien, die Zahlungen zu rechtfertigen. Sicherer sei es, alles was mit Umwelt zu tun hat in die zweite Säule zu packen. Marktverzerrungen gebe es nach Dorfmann durch die Direktzahlungen aber auch schon innerhalb der EU. Die Höhe der Zahlungen ist nicht nur zwischen den Mitgliedsländern verschieden, sondern auch innerhalb eines Landes und zwischen den Sektoren. Nach Dorfmann müsse das harmonisiert werden.
John Stuart Agnew, englischer Freiheitsdemokrat
, erinnerte daran, dass fast alle Länder ihre Landwirtschaft unterstützen. Die EU sei damit nicht alleine. Die Direktzahlungen seien in Europa wichtig, damit in den Zeiten der Überschüsse, wenn die Preise niedrig sind, die Bauern weiterhin produzieren. Sonst würden sie die Landwirtschaft aufgeben und in Zeiten von schlechten Ernten fehlten Lebensmittel in Europa und für andere Teile der Welt.

Neue Bezugspunkte

Die GAP verteidige nach Wojciech Michal Olejniczak, polnischer Sozialdemokrat, viele entstandene historischen Bezüge. Der Reformvorschlag werde Ungerechtigkeiten nicht korrigieren. Nach Olejniczak sollte für die WTO-Konformität ein neues Denkmodell her. Vielleicht sei der Zahlungsbezug zum Betrieb nicht der richtige. Direktzahlungen und Greening könnten für eine Region gelten.
Auch Britta Reimers, liberale Deutsche, favorisiert regionale Programme. Das wäre ehrlicher und vor allem „bürokratieärmer“. Von Reform zu Reform nehme die Verwaltungsarbeit zu und mancher Bauern mit kleinem Hof würde deshalb auch bereits aufgebeben haben. Reimers kritisiert, dass die Gelder der ersten Säule „durchgereicht“ werden, weil die vor- und nachgelagerten Bereiche die Prämien bei ihren Preisverhandlungen einberechnen.
Peter Jahr, deutscher Christdemokrat
, rechnete vor, dass die Agrargelder der ersten und zweiten Säule in Deutschland jeden Bürger lediglich 27 Cent kosten würden. Eine Summe, die er angesichts der Leistungen für vertretbar halte.

Roland Krieg; Foto: roRo

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