Wüstlinge schaden dem Ökolandbau

Landwirtschaft

Versuchsfelder in Golm zerstört

> Das vor kurzem verabschiedete Gentechnikgesetz (s. Herd-und-Hof vom 21.06.2004) brachte nur Ruhe und Eindeutigkeit für die Versicherungswirtschaft. Was einzelne Versicherungsgesellschaften bereits ankündigten, bekräftigte Edmund Schwake vom Gesamtverband der Deutschen Versicherer (GDV) Ende letzter Woche: ?Das Risiko ist nicht versicherbar.? Gemeint ist das Risiko, gentechnisch veränderte Pflanzen anzubauen und Schadensersatz zahlen zu müssen, sofern sich diese Gene in gentechnikfreie Bestände einkreuzen. Der Deutsche Bauernverband hatte deshalb auch bereits vom Anbau abgeraten.

Wenn Argumente versagen
Am Freitag wandten sich zahlreiche Wissenschaftler mit einem Appell an die Öffentlichkeit, Forschungsvorhaben zur Grünen Gentechnik nicht kriminell zu zerstören. Hintergrund: Ein genehmigter Freilandversuch zur Grundlagenforschung der zellulären Sauerstoffversorgung auf den Kohlenhydratstoffwechsel in der Kartoffelknolle wurde komplett verwüstet. Wissenschaftler des Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Golm bei Potsdam hatten ein Hornklee-Gen in Kartoffeln eingefügt. Der Versuch war genehmigt worden, weil er als unbedenklich gilt. ?Anonyme Zerstörer haben keine Argumente. Sie sind kriminell, sie sind feige und zeigen vor allem ihre Unfähigkeit, sich mit den tatsächlichen Sachverhalten zu befassen?, heißt es im Appell.
Umweltverbände, Politiker und die Bundesregierung werden aufgefordert, ?sich von Feldzerstörungen öffentlich zu distanzieren?. Der Schaden wird mit 250.000 ? angegeben.
Unsachlichkeit in der Argumentation musste sich kürzlich auch Greenpeace richterlich bescheinigen lassen. Das Kölner Landgericht untersagte den Umweltkriegern die Behauptung, dass Müller-Milch ?Gen-Milch? verkaufe. Greenpeace unterschlug, dass die gefundenen Bestandteile über die Luft aus Futtermitteln in die Milch gelangte.

Grüne Gentechnik als goldenes Kalb?
Für 2,2 Milliarden Menschen, jeder Dritte der Weltbevölkerung, ist Reis die Hauptnahrungsquelle. Reis fehlt es allerdings an lebenswichtigem Eisen und Vitamin A. Jeder fünfte Todesfall bei Neugeborenen in Afrika und Asien ist Folge eines Eisenmangels, so UNICEF. Weltweit leiden 200 Millionen Kinder unter Vitamin A-Mangelerscheinungen. Ein schweizer-deutsches Wissenschaftlerteam unter der Leitung von Ingo Potrykus und Peter Beyer kreierten den wegen seiner gelben Farbe genannten ?Goldenen Reis?, einer transgenen Reis-Variante, die in ihren Zellen mehr Eisen einlagert und Provitamin A bildet.
Dieses Beispiel dient der grünen Gentechnik als beispielhafte Legitimation zur Klärung des Problems, wie zukünftig auch 9 Milliarden Menschen auf diesem Planeten mit abnehmenden Ressourcen gesund ernährt werden können. Auf der anderen Seite dient das Beispiel auch einer einseitigen Überlagerung alternativer Strategien durch Verfolgung einer alleinigen Lösungsmöglichkeit: Auf den Philippinen wird Margarine, in Lateinamerika Zucker mit Vitamin A angereichert. Zweimal jährlich wird eine hoch dosierte Vitamin A Kapsel an die Bevölkerung abgegeben. Kleine Hausgärten werden angelegt. Alle drei Strategien sind Projekte der UNO. Seit 1993 werden in Bangladesh kleine Hausgärten gestaltet. Landlose Familien pflanzen Reben an die Hauswände und setzen Bohnen und Kürbisse hinein. Mittlerweile sind über 600.000 Familien integriert und es zeigt sich, dass bereits kleine Gärten ausreichend Provitamin A bereitstellen. Der Gesundheitszustand hat sich gebessert.
Wissenschaftlich ungeklärt ist die Frage, inwieweit das im Goldenen Reis enthaltene Vitamin A physiologisch nutzbar ist. Der Körper braucht Fett und Zink zur Aufnahme und Nutzung dieses Vitamins. Begrenzte Nahrungsfette und Zinkmangel gelten dann auch als ?versteckte? Faktoren für den Vitamin A-Mangel.

Genetische Vielfalt gegen Gentechnik
Ein großer Nachteil genetisch veränderten Saatguts ist das darauf ausgesprochene Patent. So frohlockte der amerikanische Früchtehändler Sun World in einer großen Werbeanzeige, dass ?Züchter illegaler Weintrauben? über 180.000 Euro Strafe bezahlen mussten. Spanische Rebenbauern aus Murcia nutzten ungefragt eine von Sun World erschaffene Traubensorte. Bauern mit bescheidenen Einkommen in den Entwicklungsländern können Gebühren für patentiertes Saatgut oft nicht aufbringen. Bauern droht ihr ureigenstes Produktionsmittel, das Saatgut, an Konzerne zu verlieren. Die Gefahr, dass sich dieser Trend beschleunigt, liegt auch in der Verarmung landwirtschaftlicher Ressourcen. Hunderte von Pflanzen sind landwirtschaftlich nutzbar. Tatsächlich genutzt wird jedoch nur noch ein Viertel dessen, was zu Beginn des 20. Jhd. noch angebaut wurden, so das Freiburger Öko-Institut. Die Welternährung basiert heute auf zehn Kulturpflanzenarten. Deshalb brauchen Züchter weltweit Zugang zu pflanzengenetischen Ressourcen, damit weiterer Arten- und Sortenverlust verhindert wird. Vor allem müssen die Rechte der Bauern geklärt sein. Und das regelt der internationale Saatgutvertrag, der jetzt in Kraft getreten ist. Nach sieben Jahren Verhandlungen im Rahmen der Food and Agriculture Organisation (FAO) haben ihn 48 Vertragsstaaten ratifiziert. Franziska Wolff vom Öko-Institut: ?Der Vertrag leistet einen wichtigen Beitrag für die Welternährung und die landwirtschaftliche Biodiversität.? Der Vertrag regelt die Zusammenarbeit zwischen den Entwicklungsländern, aus denen die größte pflanzliche Vielfalt stammt und den Saatgutfirmen, die meist in den Industrieländern über die Technik der Bearbeitung verfügen. Saatgut, welches aus für alle Länder zugänglichen Genbanken kommt, kann nicht mit Rechten für geistiges Eigentum versehen werden. Damit bleibt der Zugang zu den 65 wichtigsten Nahrungs- und Futterpflanzen, die 80 Prozent der Kalorienaufnahme der Weltbevölkerung repräsentieren, allen offen. Werden Produkte aus diesem Genmaterial kommerziell weiter entwickelt und patentiert, so muss ein Gewinnanteil als finanzieller Ausgleich für Projekte mit Kleinbauern gezahlt werden. Verbraucherministerin Renate Künast sieht damit die Rechte der Bauern gestärkt, denn traditionelles mit genetischen Ressourcen verbundenes Wissen kann nicht mehr von den Saatgutmultis patentiert werden. Allerdings bedauert sie auch, dass die FAO wegen fehlender Finanzmittel die Durchführung des Vertrages nicht sofort in Angriff nehmen kann.

Gentechnik und züchterischer Fortschritt
Der Goldene Reis ist ein Beispiel der realisierbaren Gentechnik, deren Ziel auch auf anderem Wege erreicht werden kann. Die Auswahl einzelner, beispielsweise grünsten Reispflanzen in einem Trockenjahr und Verwendung als neuer Sorte durch aufmerksame Bauern, ist Züchtung im klassischen Sinne. Haben sich in der Vergangenheit bitterstoffarme Rapssorten durch selektive Auswahl über einen langen Zeitraum finden lassen, darf die Gentechnik die Eliminierung von Erucasäure und Minderung des Glucosinolatanteils zur Erhöhung des Futterwertes im Labor beschleunigen? Jeder Frage sollte nachgegangen werden dürfen. Vor allem auch, um wissenschaftlich zu belegen, dass die bisher angenommene Pollenbarriere von 15 m für BT-Mais überraschenderweise nicht ausreicht. Zerstören von Feldversuchen dient nur einer Argumentationsrichtung.

VLE

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