Wundertüte GAP

Landwirtschaft

Deutsche GAP-Vision nach der Bundestagswahl

Kaum ein Politiksektor ist so dynamisch wie die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP). Seit Rückführung der Marktstützung 1992 folgte die Entkoppelung der Zahlungen, der Ausbau der zweiten Säule für den ländlichen Raum, Cross Compliance und aktuell das „Greening“. 2020 soll die neue Förderperiode beginnen – aber welche Überraschungen sie birgt bleibt vollkommen offen.

In Deutschland wird genauso diskutiert wie in Brüssel. Die GAP 2020 wird unverändert weitergeführt, es steht optional ein Sinkflug für die komplette Agrarförderung im Raum, es wird nur noch eine zweite Säule für den ländlichen Raum geben oder Kleinbauern werden in den Mittelpunkt gestellt. Alles Elemente, die es in den letzten Jahren schrittweise in die GAP geschaffen haben.

Diesmal ist es aber anders: Erst Ende dieses Jahres stellt Brüssel einen vorläufigen Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) für die Jahre 2021 bis 2027 auf. Mitten in die Diskussion zur GAP und den Verhandlungen zum MFR im Jahr 2019 zum das Mandat des derzeitigen EU-Agrarkommissars Phil Hogan und wird das Europaparlament wird nur wenige Wochen später neu gewählt. Kurz bevor die aktuelle Kommission ausgetauscht wird, soll sich der Brexit vollzogen haben.

Bei so vielen Ereignissen, traut sich kein Agrarpolitiker eine Prognose zu. Schon gar nicht, wenn die vier Agrarpolitischen Sprecher der aktuell im Bundestag vertretenden Parteien sich einer Fragestunde der Agrarjournalisten stellen. Nur einen Tag nach der Wahl in NRW. Ob jetzt Gelder für den Tierschutz aus der ersten in die zweite Säule geschoben werden sollten, ist nach Wilhelm Priesmeier (SPD) keine Frage: Der seit Jahresbeginn neue EU-Haushaltskommissar Guenther Oettinger hatte bereits von möglichen drastischen Kürzungen gesprochen. „Was bleibt am Ende zum Verschieben noch übrig“, fragte Preismeier?

So bleiben die Parteien ihrer Klientel treu: Die Union wirbt für das Zwei-Säulen-Modell, SPD und Bündnis 90/Die Grünen plädieren für eine stärkere Förderung der kleinen und mittleren Bauern sowie der ersten Hektare und Die Linke will Zahlungen an den Erhalt von Arbeitsplätzen binden.

Agrar bleibt Thema

Friedrich Ostendorff, der seinen Wahlkreis in Steinfurt pflegt, gab dem Wahldebakel in NRW nicht dem Agrarbereich die Schuld: „Es waren Schul- und Innenpolitik.“ Daher setzen die Grünen wie alle anderen auch in den nächsten Monaten auf das Thema Agrar. Bei den Parteikollegen kommt es darauf an, wer spricht. Zusammen mit dem damaligen Landwirtschaftsminister Robert Habeck in Schleswig-Holstein schrieb er ein Versöhnungspapier, dass ökologische und konventionelle Landwirte die Herausforderungen nur gemeinsam gestalten können. Die Partei legte mit ihrem Pflanzenschutzreduktionsprogramm noch eins drauf und stellte sich hinter den Integrierten Pflanzenschutz, der nach Schadschwelle auch den Einsatz chemischer Mittel erlaubt („deutlich herunterfahren“). Ein bisschen Glyphosat bei der konservierenden Bodenbearbeitung?  Der Entwurf des Parteiprogramms wartet allerdings mit anderem Kaliber auf: „Wir machen Schluss mit industrieller Massentierhaltung und landwirtschaftlichen Monokulturen. Mit uns gibt es gutes Essen ohne Gift und Gentechnik“. Der Bundesparteitag zur Verabschiedung des Wahlkampfprogramms findet während der Drucklegung statt.

Aufholjagd bietet Die Linke. „Wir sind momentan eher im urbanen, jungen Publikum verortet“, sagt Kirsten Tackmann, die durchaus bekennt, dass sich andere Parteikollegen ähnlich prominent mit dem Thema auseinandersetzten. Doch die Wähler verstehen, dass die Landwirtschaft etwas mit ihrem Leben zu tun hat. Die Linke kämpft daher vor allem an den Systemfehlern. Dazu zählt Tackmann, die Oligopolisierung des Handels und der Verarbeiter, die Bodenpolitik, die vor allem in Ostdeutschland ein Dauerthema ist. Die Brandenburger Veterinärin erweitert den Kreis bis hin zum Verbraucher, der mit der richtigen Wahlfreiheit, sich für faire Preise bei den Landwirten einsetzen kann. Gelassen sieht Franz-Josef Holzenkamp die Unionsgeschicke. Auch wenn die Landtagswahlen nicht mit der Berliner Wahl zu vergleichen sind, so hole mobilisiere die Union in den letzten Wochen immer wieder ihre Wähler.

Berlin ist nicht Brüssel

Deutschland diskutiert auf hohem Niveau. Die Interessen der 26 anderen Länder (Großbritannien bereits herausgerechnet) sind fundamentaler. In Rumänien und Bulgarien wurden der Boden wieder an die Städter zurückverteilt. Nirgendwo sonst blühen derzeit so viele bunte Wiesenblumen wie in Bulgarien. Die Flächen liegen brach. Eine Mittelschicht gibt es ausschließlich in den Städten. Auf dem Land sind alle gleich arm. Der neue Landwirtschaftsminister Rumen Porozhonov braucht die erste und die zweite Säule für die Gesamtentwicklung des Landes. Die spanischen Obst- und Gemüsebauern fühlen sich durch marokkanische Tomaten benachteiligt und werden ebenfalls auf keine Säule verzichten wollen. Der Gemeinschaftsverband für Europas Bauern und Genossenschaften Copa Cogeca ist in Brüssel mit seiner Zusammenfassung weit fortgeschritten: Vereinfachung, Wahrung Budgetgröße mehr Risikomanagement und Stärkung der Erzeugergemeinschaften.

Und jetzt legen wir die Parteiprogramme einmal zur Seite: Das Bundeslandwirtschaftsministerium stellte für die Agrarfinanztagung eine Übersicht der Mitgliedsländerwünsche auf: Deutschland wünscht sich eine nationale einheitliche Basisprämie: Das wollen nur sechs weitere EU-Länder. Die Deutsche Umverteilungsprämie wird lediglich von sieben weiteren Ländern favorisiert, der Verzicht auf Kürzungen der Direktzahlungen findet Anklang bei nur sechs weiteren Ländern und Deutschland steht beim Verzicht auf eine freiwillige Kopplung sogar ganz alleine dar. Immerhin: 14 weitere Länder sprechen sich derzeit für eine Kleinerzeugerregelung aus.

Zwei Ministerien – zwei Meinungen

Das Bundesumweltministerium sieht eine drastische Ausrichtung der GAP auf Tierwohl und Umweltaspekt vor. Ganz so dramatisch liest sich das SPD-Agrarprogramm dann doch nicht. Worauf es beim Bundestagswahlkampf wohl mehr ankommt, ist die Regierungsfähigkeit. Keine Partei hat vor, den Ressortzuschnitt zu ändern. Der amtierende Agrarminister Christian Schmidt wünschte sich auf dem Zukunftsdialog der „agrarzeitung“ ende Mai, dass die Kontroversen beider Häuser sich auf politische Ebene so bereinigen ließen, dass die Regierung auch ein einheitliches Bild in Brüssel abgeben könnte.

Übrigens: Dem Autor sind in den letzten Wochen keine Experten begegnet, die den Start der neuen GAP auf das Jahr 2020 festlegen wollten. Zwei bis drei Jahre bleibt die aktuelle Förderperiode den Landwirten noch länger erhalten.

Roland Krieg (Der Artikel erschien zuerst in der vfz Vieh und Fleisch Handelszeitung)

Zurück