Wurde der Aflatoxin-Mais nach Deutschland entsorgt?
Landwirtschaft
Schwieriges Maisjahr in Serbien
Zwischen Freitagvormittag und Sonntagabend weitete sich der Erkenntnisstand zur Kontamination von Futtermitteln mit Aflatoxin B1 aus.
Der Sachstand
45.000 Tonnen Futtermais wurden zwischen dem 27. November und 05. Dezember von der Hamburger Alfred C. Firma Toepfer aus Serbien über die Weser nach Brake verschifft. Der Höchstwert des Schimmelpilzgiftes beträgt 0,02 mg je Kilogramm Futtermittel, gemessen wurden 0,204 mg/kg. 10.000 Tonnen wurden bereits im Hafen gesperrt und weitere 25.000 Tonnen in eienr Bremer Lagerhalle. Die restlichen 10.000 Tonnen waren seit Anfang Februar bereits nach in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Schleswig-Holstein (Lieferungen bis zum 22. Februar), Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und die Niederlande in Mischfuttermitteln verwendet und an 3.560 landwirtschaftliche Betriebe mit Rindern, Schweinen und Geflügel ausgeliefert worden. Am Freitagabend hat ein weiteres Futtermittelwerk Lieferlisten nachgereicht, so dass sich die Zahl der betroffenen Betriebe auf 6.457 erhöht hat. „Die verzögerte Zustellung zeigt, dass die Zusage der Wirtschaft, Daten im Rahmen der Rückverfolgbarkeit innerhalb kürzester Zeit vorzulegen, nicht funktioniert“, erklärte Landwirtschaftsminister Christian Meyer. Am Sonntag wurde wegen Doppelnennungen die Zahl der betroffenen Betriebe auf 4.467 Betrieben korrigiert, die von 14 Futtermittelunternehmen beliefert wurden.
Während sich Aflatoxin B1 nach ersten Einschätzungen nicht im Muskelfleisch oberhalb der Grenzwerte anreichert, wurde belastete Milch mit 57 Nanogramm pro Kilogramm Milch entsorgt. Nach einer Woche Fütterung mit sauberem Futter werden die Kühe wieder Milch mit einer Belastung unterhalb des Grenzwertes in Höhe von 0,00005 mg/kg geben.
Aflatoxine
Aflatoxine sind Stoffwechselprodukte verschiedener Schimmelpilze der Gattung Aspergillus. Begünstigt wird der Befall von Aspergillus durch feucht-warmes Wetter und energiereicher, also kohlenhydratreichem Nährmedium wie Getreide, Nüsse oder Trockenobst. Sie können bereits auf dem Feld entstehen oder erst während der Lagerung. Die Pilzgifte gelten als cancerogen. Der Höchstwert für Milch ist mit 50 Nanogramm oder 0,05 Mikrogramm je Kilogramm festgelegt. Ein bis drei Prozent des Aflatoxins im Futter gehen in die Milch über. Aflatoxine sind hitzestabil und können daher nicht durch Pasteurisierung zerstört werden. Der Grenzwert bei Futtermittel-Ausgangserzeugnissen liegt bei 0,02 mg/kg, bei ergänzungs- und Alleinfuttermittel bei 0,01 mg/kg. Davon ausgenommen sind Mischfuttermittel für Milchtiere und Kälber, Ferkel und Junggeflügel (0,005) und für Rinder (0,02 mg/kg).
Probenentnahme
Nach Angaben des Deutschen Verbandes Tiernahrung (DVT) waren die Stichproben der Futtermaisuntersuchung zum Zeitpunkt der Anladung deutlich unter dem Höchstwert. Demgegenüber wiesen die Eingangsprüfungen der Anlieferer große Schwankungen der Belastung bis zum festgestellten Höchstwert auf. Die Streuung ist offenbar dem Umstand geschuldet, dass Aflatoxin nicht gleichmäßig, sondern nesterweise in der Anlieferung auftrat.
Jährlich werden im Q+S – System rund 2.500 Proben auf Aflatoxin hin untersucht. Die Ämter haben 2011 weitere 1.800 Proben gezogen, von denen 28 erhöhte Werte mit Schimmelpilzen aufwiesen.
Die Zeitkomponente
Bernd Voß, Vorsitzender der AbL und Milchbauer kritisiert die Probenentnahme. Die Kontrolle auf Aflatoxine sei Standard und Serbien gehöre zu einem Risikoland. Wie im vorliegenden Fall eine so große Lieferung mit hohen Belastungswerten „sämtliche Kontrollstellen beim Importeur, Zwischenhändlern und Mischfutterwerken ungehindert passieren konnte“ bleibe unverständlich.
Kleine Strukturen, kleine Skandale
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) nimmt den neuerlichen Skandal zum Anlass, auf kleine Produktionsstrukturen zu verweisen. Der niedersächsische AbL-Vorsitzende Martin Schulz setzt sich für eine flächengebundene Tierhaltung mit eigener Futtermittelgrundlage ein, die überwiegend vom eigenen Betrieb oder regionalen Händler komme. Hofeigenes Futter ist aber kein Garant, frei von Schimmelpilzgiften zu sein.
Rund 1.000 Milchbauern könnten während der Untersuchungszeit ihre Milch nicht abliefern. Martin Schulz fordert von der Futtermittelindustrie und vom Bauernverband eine unbürokratische Entschädigung.
Mycotoxinbefall vermindern
Das Max Rubner-Institut (MRI) räumt ein, dass es bis heute kein umfassendes Konzept gibt, Mycotoxine zu vermeiden. Nach Einschätzung der FAO siond bis zu 25 Prozent der Welternte an Getreide mit Mycotoxinen belastet und müssen vernichtet werden. Das MRI arbeitet derzeit an drei Verfahren zur Reduzierung der Pilzgifte.
Beim ersten Verfahren wird die Tätigkeit der Pilze festgestellt, wann sie mit der Bildung von Substanzen beginnen, die für die Giftbildung verantwortlich sind. Veränderte Lagerbedingungen können die weitere Entwicklung unterbinden. Im Labor klappt das schon ganz gut.
Aspergillus, aber auch Fusarius und Penicillium, die ebenfalls Schimmelgifte bilen, weisen Lichtrezeptoren auf. Licht mit einer bestimmten Wellenlänge kann die Bildung von Giften unterbinden, ohne Vitamine zu zerstören.
Das dritte Verfahren widmet sich dem Übergang von Aflatoxinen in Milch. Auch unter besonderer Berücksichtigung von hofeigenem Futter. Bislang wurden monatlich 350 zufällige Sammelproben aus dem Tanksammelwagen gezogen. Im letzten Jahr wurden in 4.250 Proben der gesetzliche Höchstwert nie überschritten.
Warnmeldungen
Aflatoxinmeldungen im europäischen Schnellwarnsystem sind fast schon Standard. Alleine in diesem Jahr gab es 60 Meldungen, die sich meist auf Nüsse, Obst und Gemüse beziehen. Vor hohen Aflatoxin-Gehalten in serbischem Mais hat Italien am 10. Oktober 2012 gewarnt. Dieser wurde über Kroatien in die EU geliefert. Der Mais mit einem Gehalt von 80 Mikrogramm Aflatoxin pro Kilogramm wurde allerdings an der Grenze beschlagnahmt.
Deutschland hat am 01. März eine rumänische Maismeldung für Belgien eingestellt, am 22. Februar für Österreich eine Salmonellenmeldung in italienischem Sojamehl, Zypern eine Aflatoxinmeldung für griechischem Mais und Belgien hat am 07. Februar vor Salmonellen in Raps gewarnt, die aus Deutschland über die Niederlande verkauft wurden.
Serbischer Mais
2012 war alles andere als ein gutes Maisjahr in Serbien. Wegen der schlechten Witterung sank die Maisernte um 45 Prozent auf 3,6 Millionen Tonnen. In den Jahren 2000 bis 2009 lag Serbien mit knapp sieben Millionen Tonnen auf dem 14. Platz der weltweiten Maisexporteure. Es hat 2012 immer wieder Streitigkeiten um den Zustand der Ernte gegeben. Bis zu einem Drittel des Maises soll mit Aflatoxinen belastet worden sein, sagte die Prüffirma SGS aus Belgrad. Das Landwirtschaftsministerium bestätigte nur sieben Prozent. Von 350.000 exportierten Tonnen mussten Anfang Dezember nach Meldung der Nachrichtenagentur Novosti Serbien 4.000 Tonnen wegen Kundenbeschwerden wieder zurückgebracht werden.
Mais ist derzeit gut gefragt, denn in den letzten sechs Monaten fiel der Preis je Tonne von 260 auf knapp 200 Euro. Die Februar-Analyse von Alfred C. Toepfer geht von weiter sinkenden Preisen und nervösen Händlern aus, die noch Ware auf Lager haben.
Aflatoxin ist aber nicht typisch für das Land. Jovana Matic vom Institut für Nahrungsmitteltechnologie hat in einer Arbeit über Mycotoxine im Jahr 2009 in Müsli, Babynahrung und Getreide zwar die anderen „üblichen“ Mycotoxine aber keine Aflatoxine gefunden [1].
Lesestoff:
[1] Matic, Jovana et al.: Mycotoxins as a risk in the grain food; Institute for Food Technology of Novi Sad; DOI:10.2298/ZMSPN0917079M
Fachtagung Mycotoxine in Brandenburg
Roland Krieg