Wurzeln sind mehr als ein Anker
Landwirtschaft
Chemische Kommunikation der Rhizosphäre
Wurzeln binden Pflanzen an ihren Standort und versorgen den oberirdischen Pflanzenteil mit Nährstoffen und Wasser. Den Raum um die Wurzel herum nennen die Wissenschaftler Rhizosphäre. Und das ist ein Ort hochinteressanter Vorgänge, bei der Pflanzen sich den Standort mehr modulieren als bislang angenommen.
Ortstreue heißt nicht ausgeliefert sein
Pflanzen
können vor Sturm, Dürre und Hochwasser nicht weglaufen. Doch sind Pflanzen
durch ihre Standorttreue den Umweltereignissen nicht hilflos ausgeliefert.
Die
Rhizosphäre ist weniger wissenschaftlich untersucht als der oberirdische
Pflanzenteil. Dabei leistet sie mit einer bis zu zehn Mal größeren Oberfläche
einen erheblichen Anteil am Überleben der Gesamtpflanze. Wurzeln können
schwerlösliche und nicht für die Pflanze nutzbare Nährstoffe aus den
Bodenmineralien lösen und verfügbar machen. Bei Nährstoffmangel erhöhen sie die
Verzweigungsstruktur und erschließen sich neue Nährstoffquellen. Wurzeln senden
Signalstoffe aus, die nützliche Bodenbewohner anziehen und Schadinsekten
abwehren. Manchmal werden über die Wurzeln auch Substanzen verbreitet, die
andere Pflanzen am Wachstum hindern, um sich Vorteile bei der Nährstoffversorgung
zu sichern.
Alle
diese Substanzen sind ein Gemisch aus Zuckern, Eiweißen, organischen Säuren,
Sekundärstoffen und weiteren Komponenten. Das als Wurzelexudat bezeichnete
Gemisch ist in seiner Zusammensetzung nicht konstant, sondern wird individuell
zusammengemischt. So spiegeln verschiedene Wurzelexsudate unterschiedliche
Pflanzenstadien wie Keimung, Wachstum oder Reife wider. Die Pflanze kann das
Gemisch auch auf sich ändernde Umweltbedingungen einstellen.
Neues Forschungsprojekt
Wie
die Pflanze das genau macht, wollen Forscher des Leibnitz-Instituts für
Pflanzenbiochemie (IPB) der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg in
den nächsten drei Jahren erforschen. Wer die Zusammenhänge zwischen
Wurzelkommunikation und Pflanzenvitalität versteht, der kann auch Pflanzen
züchten, die den künftigen Herausforderungen besser angepasst sind. „In der
Relation zu den Umweltbedingungen ändert sich nicht nur das Exsudat, sondern
auch das Wachstum der Wurzel und damit auch das der ganzen Pflanze“, erläutert
Prof. Dierk Scheel, Leiter der Abteilung Stress- und Entwicklungsbiologie am
IPB. Im positiven Falle wächst die Pflanze besser, bildet mehr Biomasse aus und
ist gegen Trockenheit und Krankheitserregern besser gewappnet.
Offenbar
sind verschiedene Wurzelexsudate genetisch bedingt – die Grundlage für
züchterische Arbeit.
Damit
wird die Grundlagenforschung für die Landwirtschaft interessant, so Prof.
Scheel. Eingestiegen in das Großprojekt Rhizosphäre sind bereits das
Leibnitz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung Gatersleben
und das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Halle.
Roland Krieg