Zukunftsforum Ländliche Entwicklung

Landwirtschaft

Ländliche Entwicklung sieht von unten anders aus

War die Konferenz über die ländliche Entwicklung auf der letzten Grünen Woche das Ende der Konferenzreihe aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium, war sie auch Grundstein für einen festen Konferenztermin für die nächsten Jahre. Politik, Wissenschaft und Verbände tagten zwei Tage im Rahmen der Ernährungs- und Landwirtschaftsmesse. Heute Nachmittag fand die Abschlussdiskussion statt.

„Sinn für Bewährtes und Neues“
„Sinn für Bewährtes und Neues“ brauche die Entwicklung des ländlichen Raums, so Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner. Allerdings fasste ihre Rede nur Bewährtes zusammen: Leistungskraft bewahren, Gleichheit nach dem Grundgesetz, wettbewerbsfähige Betriebe, Globalisierung im ländlichen Raum, Breitbandanschluss für alle in den nächsten drei Jahren und nachwachsende Rohstoffe für die Energieversorgung und Wertschöpfung. Neu waren nur die Redewendungen: „Schließung der Schulen entzieht dem Land die Zukunft“, Heimat ist mehr als eine Adresse“ und „Der blaue Planet liegt in unserer Hand“. Bundespolitisch wurden keine Zeichen gesetzt, die kamen aus der Landes- und Kommunalpolitik.

BW: Unterausschuss für den ländlichen Raum
Baden-Württembergs Minister für Ernährung und Ländlichen Raum, Peter Hauk, beschreibt, welche konzertierte Aktion sein Land jüngst für den ländlichen Raum unternommen hat. Per Kabinettsbeschluss wurde ein Unterausschuss eingerichtet, der ohne Tagesaktualität und ressortübergreifend für die ländliche Region zuständig ist. Aktuell hat der Ausschuss einen Krankenhausbedarfsplan vorgelegt, der dem Engpass der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum begegnen soll. Als nächstes beginnt die Vorarbeit für einen Verkehrswegeplan, der im nächsten Jahr auf Landesebene zur Erneuerung ansteht. Das ist bundesweit einzigartig und kommt mancher Forderung nahe, für den ländlichen Raum ein interministerielles, eigenständiges Gremium zu schaffen. Nicht mehr weit von einem solitären Ministerium für die Entwicklung des ländlichen Raums entfernt.
Peter HaukDas Thema Mobilität müsse einmal grundsätzlich neu überdacht werden. Übertriebener Klimaschutz stehe der individuellen Mobilität entgegen, so Hauk. Mangelnde Mobilität, und damit gehört auch die Wegstrecke zum Arbeitsplatz, erhöhe bei falscher Bemessung die Landflucht und die sozialen Spannungen in der Stadt.
Weil Baden-Württemberg seit den 1960er Jahren die Zahl der Gymnasien im ländlichen Raum verdoppelt hat und vor 25 Jahren die Berufsakademie einführte, bleiben die Menschen auf dem Land. Die Betriebe finden qualifiziertes Personal vor Ort. Die dezentrale Ausbildung „koste eine Menge Geld“, aber insgesamt weniger, als die Folgen der Landflucht.
Nicht alle Jugendlichen wollen einmal den elterlichen betrieb übernehmen. Baden-Württemberg arbeite gerade an Alternativen, wie Betriebe mit 50 bis 100 Mitarbeitern auch ohne familiäre Nachfolge weiter machen können, ohne sie verkaufen zu müssen.
Innendörfer will Baden-Württemberg wieder attraktiver machen, indem die Nachfolgegeneration anstelle einer Zulage für ein Eigenheim im Neubaugebiet einen vergleichbaren Zuschlag für die Sanierung der Altbauten im Dorfkern erhält – sofern ein Nutzungskonzept vorliegt.
Baden-Württemberg hat in etwa die gleiche pro-Kopf-Verschuldung wie Bayern. Aber auf Landeseben ist sie doppelt und auf kommunaler ebene nur halb so hoch. Das sei gelebte Subsidiarität, wo mit Landesfördermitteln die Aufgaben für die ländliche Entwicklung an die Kommunen gehen.
Hauk sieht in der zweiten Säule die Basis der Entwicklung des Landes. Die gut verdienenden Getreidebauern aus dem Kraichgau könnten ihren Berufskollegen in den Höhenlagen über die zweite Säule mehr Geld abgeben, so Hauk. Deren landwirtschaftliche Bewirtschaftung hält die Landschaft offen und macht sie für den Tourismus attraktiv.

Mythos Breitband
Horst Schnur, Landrat des Odenwaldkreises geht mit der Bunderepublik hart ins Gericht. Dort hieße es immerwährend, dass der Breitbandanschluss ausgebaut werde, aber nicht in welcher Qualität. Die Messungen in seinem Landkreis ergaben, dass nach Angaben der Telekom zwar 85 Prozent der Menschen Anschluss hätten, aber eine qualitative Bewertung zeige, dass nur 45 Prozent der möglichen Leistung verlegt sind.
Horst SchnurStatt Glasfaserkabel werden nur „Kupferdrähtchen“ verlegt. Wenn ein Maschinenbauer seine nach Island verkaufte Maschine per Fernwartung warten will, dann könne er es nicht. Ist die Leistung zu gering, wandert diese Arbeit ab. Wer kein Glasfaserkabel verlege, der baue dem ländlichen Raum eine Sackgasse, weil die Datenmengen immer größer werden.
Eine Gemeinde hat die Glasfaserversorgung in die eigene Hand genommen und scheitert an der Telekom, die den Anschluss an den Verteilerkasten verweigere, so Schnur. Die Telekom warte nur darauf, dass mit Hilfe von öffentlichen Fördermitteln die Leitungen verlegt werden, damit sie vor der EU eine Wettbewerbsverzerrung einklagen könne. Der Landrat hat versprochen, seinen Vortrag in der nächsten Woche auf www.odenwaldkreis.de zu veröffentlichen.
Bei der Finanzierung des ländlichen Raums hat Schnur auch noch einmal genau nachgerechnet. Aktuell wird an der Energiebörse in Leipzig die Tonne CO2 mit 15 Euro gehandelt. 60 Prozent des Odenwaldkreises sind Wald und binden eine Menge Kohlendioxid. Schnurs Berechnungen nach leiste sein Landkreis einen Bindungswert in Höhe von sieben Millionen Euro, die jedoch nirgendwo vergütet werden. „Es gibt den Emissionshandel, aber nicht für die Kommunen“, klagt Schnur. Das Geld könne über Regionalprogramme und Mikrokredite der ländlichen Wirtschaft zugute kommen.

roRo

Auf der Grünen Woche steht die Halle 21b ganz im Zeichen der ländlichen Entwicklung

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