Zukunftslandschaften formen

Landwirtschaft

Von der Betriebsförderung bis zur Future Landscape

Am vergangenen Samstag lud die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Kongress über die Entwicklung der ländlichen Räume. „Wer allerdings nur die Bauern fördern will, der springt zu kurz“, sagte Fraktionsvorsitzender Fritz Kuhn, der seine Partei als Partei der ländlichen Räume präsentierte. „Ich halte alle Probleme für lösbar“, sagte er, aber die politischen Rahmenbedingungen müssten stimmen. Der ländliche Raum besteht nicht nur aus Bauern, sondern auch aus Dienstleistungen und anderem Gewerbe, so das die existierenden Förderprogramme aufeinander abgestimmt werden müssen. Mit „Bio ist die Alternative zu Gammelfleisch“ stellte Kuhn den Verbraucherschutz als elementaren Teil des ländlichen Raumes dar. Die Landwirtschaft müsse ökologisiert werden, denn der Biomarkt wächst auf der Nachfrageseite, aber die Ökolandwirtschaft hat nur einen Anteil von 4,5 Prozent an der Gesamtproduktion.
Kuhn sieht in nachwachsenden Rohstoffen nicht nur eine Entlastung im Kampf gegen den Klimawandel, sondern auch eine Entlastung in der Außenpolitik. Die Biogasbesteuerung sei ein falsches Signal und forderte ein „Biogaseinspeisegesetz“.

Mit der Bedeutung wächst auch die Politik
Die europäische Union besteht zu 92 Prozent aus ländlichem Raum, in dem 53 Prozent der Bevölkerung leben und 45 Prozent der Bruttowertschöpfung erzielt werden. Dr. Josefine Loriz-Hoffmann von der Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Räume der EU zeigte, dass der ländliche Raum nicht nur die abgelegenen Gebiete mit „Entvölkerungstendenzen“ umfasst, sondern auch die Standrand-Gebiete. Mit der Osterweiterung der EU hat die Größe und Bedeutung des ländlichen Raumes sogar noch weiter zugenommen.
Allerdings gibt es einige strukturelle Defizite: Das Einkommen der Beschäftigten ist um etwa die Hälfte kleiner als das der Stadtbevölkerung und der Ausbildungsstand ist niedriger. Unter dem Mangel an Chancen und Kontakten leiden vor allem die Frauen, betont die Expertin.
Die ersten Unterstützungen der EU begannen gleich nach ihrer Gründung und Erweiterungen in den 1950er Jahren mit einzelbetrieblichen Maßnahmen, denn die Staatengemeinschaft musste die Energieversorgung und Lebensmittelsicherheit nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst einmal sicher stellen. Die Entwicklung des ländlichen Raumes kam erst später hinzu und mit dem Leader-Ansatz wurden dann in den 1990er Jahren auch erstmals Strategien belohnt, die außerhalb der Landwirtschaft aufgebaut wurden. Ein weiterer Meilenstein war die Einführung der Agrarumweltmaßnahmen 1992 und zuletzt die Modulation im Rahmen der Agrarreform, die seit 2003 läuft. Mit dieser Modulation besteht die Möglichkeit, Gelder aus den Direktzahlungen in die so genannte zweite Säule der ländlichen Entwicklung umzuwidmen.
Die Förderung richte sich mittlerweile an den Göteborgern Nachhaltigkeits- und den Wettbewerbsrichtlinien von Lissabon aus. Einzelne Programme werden nur noch realisiert, wenn es eine nationale Gesamtstrategie für den ländlichen Raum gibt. Dafür stehen die vier Förderachsen, wobei Dr. Loriz-Hoffmann die vierte Achse (Leader-Ansatz) als den wertvollsten ansieht: Hier ist der individuelle Gestaltungsspielraum am größten und daher sehr begehrt. Mit der neuen Förderperiode ab 2007 muss jedes Programm der ländlichen Entwicklung einen Leader-Ansatz beinhalten. Der Kritik an der Fördervielfalt entgegnete sie, dass eine nationale Strategie erstmals einen richtigen Überblick biete, in welche Richtung ein Land seinen ländlichen Raum überhaupt entwickeln will. Die Transparenz bei den Fördermitteln gebe die Möglichkeit, aufgelegten Programme an den Kriterien der Nachhaltigkeit und des Wettbewerbs zu überprüfen und die Förderachse 3 entwickele Beschäftigungsverhältnisse, die der europäische Landwirtschaftsfond für die Entwicklung der ländlichen Räume (ELER) nicht bewirken kann.

Future Landscapes
Bis 2020 wird sich die Bevölkerung in den ländlichen Räumen vorhersagbar entwickeln: Es wird Räume geben, aus denen die Menschen wegziehen und es wird Räume geben, die im Rahmen verschiedener Binnenwanderungsverflechtungen einen Zuzug aufweisen. „In peripheren, dünn besiedelten Regionen der neuen Länder“ wird es einen unumkehrbaren Alterungsprozess geben. Das sind alles fixe Faktoren der Entwicklung ländlicher Räume stellte Dr. Bettina Matzdorf vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) aus Müncheberg in Brandenburg fest. Hinzu kommen variable Faktoren, die „Wachstum und Rückzug“, „Wachstum und Engagement“, „Stagnation und Engagement“ oder „Stagnation und Rückzug“ für eine Region bedeuten können. Durch Beobachtung könne man Landschaftsentwicklungen verstärken, mit denen relative Vorzüglichkeiten gefördert werden und in Zukunft eine differenzierte Landnutzung beschreiben:
Die Agrarproduktionslandschaft ist durch eine intensive Agrarproduktion auf großen Flächen gekennzeichnet.
Die Energieproduktionslandschaft ist durch den effizienten Anbau nachwachsender Rohstoffen gekennzeichnet.
Die Wildnislandschaft zeigt gerade im peripheren Ostdeutschland Potenzial für eine Sukzessionslandschaft, in der Besucher eine ungesteuerte Naturentwicklung beobachten können.
Als Alternative zur Sukzession gibt es großflächige, offene Weidelandschaften.
In den entleerten Räumen sind Infrastrukturmaßnahmen nicht mehr tragefähig. Es wird wenige Zentren in einer Servicelandschaft geben.
In Historischen Kulturlandschaften gibt es reizvolle und massetaugliche Freizeitlandschaften.
Zehn Prozent der Fläche in Deutschland wird von Natura 2030-Landschaften getragen werden.
Und schließlich gibt es Musterlandschaften, die als multifunktionale Landschaften einen überregionalen Standard schaffen können.

Wie auch immer Regionen letztlich ausgestaltet werden – es zeigt sich eine zweckgebundene Ausrichtung, die jeweils den Trend verstärkt, den die Region aus sich heraus entwickelt. Damit wären nach Dr. Matzdorf „ehrliche regionale Szenarien“ möglich. Der Methode, Menschen mit Fördergelder zwanghaft in einer Region zu halten, die ihnen keine Arbeit bietet, stellen die Agrarlandschaftsforscher ein Modell entgegen, dass ökonomisch rentabel scheint. Dr. Matzdorf möchte auch keinen Gegensatz zwischen ökologischen und Großbetrieben aufgebaut wissen. Wirtschaftlichkeit müsse eine Produktion mit natürlichen Ressourcen ermöglichen und „kein negatives Gedankenfeld“ bedeuten.

Eckpunkte für den ländlichen Raum
Cornelia Behm, Sprecherin für Agrarpolitik der Bündnisgrünen im Bundestag legte acht Eckpunkt für die Entwicklung der ländlichen Räume vor:
1. Das Wachstum der Nachfrage nach ökologischen Produkten solle nicht dem Ausland überlassen werden. Daher müsse die Agrarwende fortgesetzt und die Ökologie gestärkt werden.
2. Eine Pauschalisierte Subventionierung wird abgelehnt. Es könne nur noch gefördert werden, was selbst tragende Strukturen aufbaut und gesellschaftliche Leistungen wie den Naturschutz erbringt.
3. Die „Gemeinschaftaufgabe der Agrarstruktur und des Küstenschutzes ist der „Flaschenhals“ der EU-Förderpolitik und muss weiter entwickelt werden.
4. Förderansätze müssen mehrere Bereiche integrieren. Dazu gehören neben der Landwirtschaft auch der Tourismus, Erneuerbare Energien oder die Forst- und Fischwirtschaft.
5. Mit dem Projekt „Regionen Aktiv – Land gestaltet Zukunft“ werden Entscheidungskompetenzen der regionalen Ebene gestärkt. Nach angaben von Cornelia Behm wurden in den Modellregionen wurden durch 50 Millionen Euro fördermittel weitere 57 Millionen Folgeinvestitionen ausgelöst. 763 Arbeitsplätze wurden geschaffen und 701 Arbeitsplätze gesichert.
6. Gestärkt werden soll das Regionalmanagement, dass eine Dienstleistung für die Akteure im ländlichen Raum übernimmt.
7. Die Ausbildung muss weiter gestärkt werden. Nachwachsende Rohstoffe schaffen neue Berufsbilder und durch die Abwanderung der junge Menschen ist in naher Zukunft ein Facharbeiterkräftemangel zu erwarten.
8. Nicht zuletzt wird die Sicherstellung der Finanzierung gefordert. Vor allem die zweite Säule der Agrarpolitik muss stärker gefördert werden.

Roland Krieg

[Der zweiten Teil beschreibt die Ökologisierung er ländlichen Räume und die Polarisierung bei der Bioenergie

Zurück