Zuwachs an gentechnikfreien Regionen

Landwirtschaft

„Wir warten nicht“

Im Vorfeld der Internationalen Grünen Woche in Berlin feierten die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), der Anbauverband Bioland und der BUND auf einer gemeinsamen Pressekonferenz die kontinuierliche Ausweitung der gentechnikfreien Zonen.

100 Regionen und 27.000 Landwirte
„Wir warten nicht auf die Verwässerung durch das Gentechnikgesetz. Wir handeln.“ Kämpferisch zeigte sich gestern Nachmittag Annemarie Volling von der AbL bei der Vorstellung der aktuellen Zahlen. Auf 980.000 Hektar deklarierte Anbaufläche ohne gentechnisch veränderte Pflanzen habe es die Bauern mittlerweile gebracht. Die Schwerpunkte liegen in Bayern und Baden-Württemberg, weil dort der Bauernverband jeweils engagiert mit arbeitet. In anderen Bundesländern, die sich auf Grund ihrer größeren Feldfluren mehr vom Einsatz der grünen Gentechnik versprechen, sind die gentechnikfreien Zonen fast gar nicht vorhanden. In Rheinland-Pfalz seien sie nur schwer durchzusetzen, weil mit Bayer in Ludwigsburg ein starker Befürworter der Gentechnik ansässig ist.

In Schweden braut Kenth Persson Bier aus Bt10-Mais, der gentechnisch verändert gegen den Maiszünsler resistent ist. Gegenüber CNN sagte er im August 2006, dass er zwar weiß, dass das Bier nicht unbedingt populär ist, aber er könne mit seiner kleinen Brauerei Oesterlenbryggyrna nicht so innovativ sein, wie die großen. Er bezieht den Mais aus dem brandenburgischen Oderbruch.
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Seitdem der Unternehmer Hipp auf der letzten Grünen Woche öffentlich machte, er würde für gentechnikfreie Produkte auch in das Ausland umsiedeln, gäbe es sie nicht mehr in Deutschland, haben mittlerweile 320 weitere Unternehmer mit einem Umsatzvolumen von 2,4 Milliarden Euro eine entsprechende Erklärung abgegeben, blickte Volling auf das letzte Jahr zurück.
Die Ausweitung der Regionen sei ein klares Wort und ein klares Signal an die Politik und stelle ein „breites Netz an konventionellen und ökologischen Bauern“ dar.
Europaweit gibt es jetzt 181 Regionen mit 4.500 Gemeinden.

Novelle des Gentechnikgesetzes
Thomas Dosch, Vorsitzender Bioland, skizzierte das Problem: „Verbraucher wollen die Gentechnik nicht und deshalb will sie der Handel auch nicht. Die Bauern sollen aber diese Ware sicher stellen,“ Zusammen mit der Gentechnik soll das nur gelingen, wenn die Koexistenz funktioniert. Darüber sind sich die Experten aber nicht einig, denn in den verschiedenen Mitgliedsländern der EU gibt es unterschiedliche Mindestabstandsvorschriften zwischen einem konventionellem Feld und dem Anbau mit gentechnisch veränderten Pflanzen. In Deutschland will das Bundeslandwirtschaftsministerium zu Mais beispielsweise 150 Meter Abstand halten, während das Forschungsministerium 50 Meter für ausreichend hält. Aus solchen Abwägungen heraus könne man keine „Gute Fachliche Praxis“, wie sie in der Landwirtschaft üblich ist, ableiten.
Thomas Dosch wies darauf hin, dass die Koexistenz viel weiter geht, denn von der Ernte mit dem Mähdrescher bis zur Verarbeitung in der Mühle oder Bäckerei müssen die verschiedenen Warenströme zeitlich und räumlich getrennt behandelt werden. Er verwies auf Zusatzkosten bei einer Koexistenz in Höhe bis zu 350 Euro je Hektar.
Eine Novellierung des Gentechnikgesetzes hält Heike Moldenhauer vom BUND für unnötig. Unter den Ministern Künast und Seehofer wurde schließlich auch die EU-Freisetzungsrichtlinie umgesetzt. Nur die Koalitionsverhandlungen der schwarz-roten Bundesregierung erfordern eine weitere Präzisierung im Gesetz.

Im Wortlaut: Koalitionsvertrag zur grünen Gentechnik
8.9 Die EU-Freisetzungsrichtlinie wird zeitnah umgesetzt und das Gentechnikgesetz novelliert. Die Regelungen sollen so ausgestaltet werden, dass sie Forschung und Anwendung in Deutschland befördern. Dazu ist es unverzichtbar, gesetzliche Definitionen (insbesondere Freisetzung, in Verkehr bringen) zu präzisieren.
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Unklare Haftung
Die Bundesregierung will die Wirtschaft bei der Haftung für ungewollte Auskreuzungen in Regress nehmen und langfristig eine Versicherungslösung anstreben. Das im November vorgelegte Eckpunktepapier für eine Novelle des Gesetzes sieht jedoch auch vor, dass der Staat für Haftungsfälle aus Freisetzungsversuchen aufkommt. Heike Moldenhauer weist das in ihrer Kritik zurück, denn damit würden letztlich alle Steuerzahler in Regress genommen und Forscher würden weniger sorgfältig arbeiten.
Wie teuer solche Zahlungen werden könnten, bezifferte die Vertreterin vom BUND am Beispiel des LL Rice 601, der im letzten Jahr Reisimporte aus den USA kontaminiert hatte. Aldi und Edeka nahmen die Produkte aus den Regalen und der Schaden wird auf 10 Millionen Euro geschätzt. Letztlich bliebe eine Haftung aus, denn in diesem Falle gibt es keinen „Schuldigen“ der ausfindig gemacht werden könnte.
Eine ausführliche Stellungsnahme zur Gesetzesnovelle und Informationen zum Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft finden Sie unter www.gentechnikfreie-regionen.de
Den BUND finden Sie während der Messe in der Bio-Halle 6.2 und in der Brandenburghalle am Stand der Fördergemeinschaft des Ökologischen Landbaus in Berlin und Brandenburg.

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