Zwanzig Jahre Gentechnik

Landwirtschaft

Gentechnik hat ihre Versprechen nicht gehalten

Vor 20 Jahren wollte die Anti-Matsch-Tomate im amerikanischen Gemüseregal die Verbraucher vom praktischen Wert der grünen Gentechnik überzeugen. Sie ist längst aus dem Geschäft verschwunden, weil sie geschmacklich bei den Kunden durchfiel. Aber die grüne Gentechnik hat generell bis heute noch nicht recht überzeugt.
Felix Prinz zu Löwenstein, Vorstandsvorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), sprach anlässlich des Jahrestages von einer „Convenience“-Technologie. Gegen den Maiszünsler kann ein Landwirt mit der Guten Fachlichen Praxis einfach vorgehen: Das Einhalten einer einfachen Fruchtfolge gibt dem Käfer schon keine Chance für seine Ausbreitung mehr. Für Landwirte, die sich an solche Bauernregeln nicht halten wollen, hat die Industrie den Bt-Mais entwickelt.
Nach 20 Jahren Gentechnik haben die Saatgutbetriebe lediglich Pflanzen hervorgebracht, die gegen die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln tolerant sind. In Argentinien werden von 35 Millionen Hektar Soja 20 Millionen mit herbizidtolerantem Soja bebaut. Das fördert Monokulturen und erhöht den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Gentechnik werde in den meisten Berichten zu sehr aus der Perspektive ihrer Versprechen dargestellt.

Gentechnik verfehlt den Lösungsansatz

Dr. Suman Sahai, Genetikerin und vor 20 Jahren Gründerin der Gene Campaign, berichtet über die Ursachen von Armut und Hunger. Den Kleinbauern bleiben überwiegend die schlechten Böden mit ungenügendem Nährstoffgehalt übrig und müssen zudem unter Wasserknappheit wirtschaften. Fehlende Erträge führen zu fehlendem Einkommen und bleibender Armut. Die Gentechnik könne per se weder die Mineralstoffe noch die Wasserverfügbarkeit erhöhen und ist daher seit 20 Jahren der falsche Ansatz für die Überwindung von Armut. Ein „Bt-Toxin“ verbessere weder die lokale Wasserversorgung noch den Nährstoffzustand des Bodens.
Im Gegenteil sind Lösungen schon bei den Bauern vorhanden. Das traditionelle Saatgut ist standortangepasst, hat Dürren und Überschwemmungen überstanden. Die Nutzung dieser Sorten in der bäuerlichen Praxis garantiert als „on Farm“-Saatgutbank Bestand und Weiterentwicklung. Die Gentechnik frage zu wenig nach Alternativen. Der Golden Rice ist so ein Beispiel, der von der Industrie wegen seines höheren Gehaltes an Vitamin A den Gesundheitszustand der Bevölkerung verbessern hilft [1]. Doch das für die Augen so wichtige Vitamin ist ausreichend in Kürbissen vorhanden. Die sind in Indien billiger und überall besser verfügbar als der Golden Rice, erklärt Dr. Suman Sahai.

Politik ohne klare Linie
Harald Ebner, Sprecher für Agro-Gentechnik von Bündnis 90/Die Grünen, kritisiert die Bundesregierung für eine wandelhafte Politik. Zum einen profiliere sich Ministerin Aigner in Bayern als Gentechnik-Kritikerin, andererseits forciere sie in Brüssel gentechnikfreundliche Zulassungskriterien. Dort wurde erst kürzlich beschlossen, bei den Zulassungsprüfungen auf Langzeitversuche zu verzichten.
Ein Streitpunkt für die Politik sind die verschiedenen Gutachten und deren unabhängige Erstellung. Gegner und Kritiker stehen sich auch in den Laboren unversöhnlich gegenüber. Dr. Christoph Then, Geschäftsführer von „testbiotech“, wird im April eine Petition für eine unabhängige Risikoforschung starten.

Weiterentwicklung der Gentechnik

20 Jahre Gentechnik sind aber auch 20 Jahre Weiterentwicklung der Biotechnologie. Mit Smart Breeding, wie Marker Selektion oder TALEN, können sich auch die Grünen und der BÖLW anfreunden. Prinz zu Löwenstein will gegenüber Herd-und-Hof.de die Gentechnik an sich nicht in Frage stellen. Aber die Sinnhaftigkeit ihrer Anwendung hinterfragen. Auch Dr. Suman Sahai kann sich technologisch eine Koexistenz von Biotechnologie und Ökolandbau vorstellen. Aber, so Löwenstein: Züchtung ist mehr als nur das Gen. Solche Methoden verführen Wissenschaftler zu einengenden Lösungen innerhalb des Genoms. Die Frage nach der Überwindung von Hunger und Armut sowie die Suche nach der einer ertragsreichen Pflanze erfordert die Berücksichtigung von komplexen Beziehungen wie Boden, Klima und Pflanze, Einkommen und ländliche Infrastruktur.
Dafür reichen 20 Jahre Gentechnik bislang nicht aus.
Währenddessen zeigt die heutige Gentechnik nach Prof. Dr. Antonio Andrioli aus Brasilien ein Anwachsen der Probleme. In Brasilien sind bereits Raupen des Maiszünslers gegen das Bt-Toxin Resistenz geworden und wandern aus dem Mais bereits in Soja und Baumwolle ein [2]. Über diese neuen wissenschaftlichen Ergebnisse berichten bereits brasilianische Medien. Am 18. März habe die brasilianische Regierung drei neue Wirkstoffe per Notfallzulassung gegen die resistente Raupe importiert.
Prof. Andrioli kritisiert die Unternehmen, die den Bauern die Schuld für den hohen Einsatz von Pflanzenschutzmittel und zu geringen Abständen zu Kulturen nicht gentechnisch veränderter Pflanzen einhalten. Die grüne Gentechnik müsse nicht zwangsläufig zu Monokulturen führen – aber, so der Professor, die Praxis beweise das Gegenteil.

Inselbewusstsein

In Deutschland ist die Diskussion um die Gentechnik sehr komplex geworden. Am Ende gibt es nur die Auswahl zwischen Pro und Kontra. Die Agrarchemie verlagert ihre Labore in die USA [3], während Kommunen sich zu gentechnisch freien Regionen zusammen schließen [4]. Schon innerhalb des europäischen Binnenmarktes zeigt die mögliche individuelle Zulassungswahl, die Unmöglichkeit vor einer eindeutigen Entscheidung [5]. Die Nagelprobe steht erst noch bevor. Mindestens zwei Jahre lang werden wohl ab Herbst dieses Jahres EU und die USA über ein Freihandelsabkommen streiten. Der EU-Handelsausschuss hat in dieser Woche bereits angemahnt, dass die Europäer auch ihre Defensivlinien klar machen müssen [6].
In diesem Prozess befindet sich auch die grüne Branche. Sowohl Prinz zu Löwenstein als auch Harald Ebner wollen ihre Haltungen für die Gespräche erst noch definieren. Wie es am Ende ausgeht, entscheidet auch über die Argumentationsposition der Gentechniker.
Prof. Andrioli führt an, dass Deutschland gar nicht so sehr eine Insel ist. Das liege durchaus im Auge des Betrachters. In Brasilien hat die grüne Gentechnik eine enorme Expansion erfahren. Hätten die Bauern und Wissenschaftler bereits vor zehn Jahren das heutige Wissen gehabt, hätte die Geschichte einen anderen Verlauf genommen. Die Regierung heute reagiert auf die Probleme der Gentechnik. Die Zulassungsverfahren ändern sich. Erhebe auch nur ein Gutachter eine negative Beurteilung geht das Verfahren künftig auf die Bundesebene. Im Süden etablieren sich in den Maisanbaugebeiten gentechnisch freie Regionen. Die Bauern mit konventionellem Soja haben sich mittlerweile vernetzt. Ihre Exportagentur Abrange beliefert beispielsweise Bayerns Rinder mit GVO-freiem Soja [7]. Die Diskussion über den Artenschwund durch Monokulturen wird heute auf der Regierungsebene diskutiert.
In Argentinien haben sich im Bundestaat Cordoba einige Kommunen gegen die Anwendung von Glyphosat ausgesprochen. Das komme nach Prof. Andrioli einem Verbot der herbizidtoleranten Pflanzen gleich.

Lesestoff:

www.genecampaign.org

[1] SAFO-Konferenz zur Lebensmittelanreicherung in Berlin

[2] Die Raupe des Maiszünslers hat ein breites Wirtsspektrum mit über 200 Pflanzenarten. Darunter zählen Hopfen, Hirse, Soja und selbst Paprika.

[3] BASF sieht kaum noch eine Chance für die grüne Gentechnik in Europa

[4] Gentechnikfreie Region Barnim

[5] Jedes EU-Land soll selbst entscheiden dürfen

[6] Freihandelsabkommen EU – USA

[7] Abrange versorgt Bayern mit gentechnisch freiem Soja

Roland Krieg

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