Zweites Standbein Fisch?
Landwirtschaft
Fisch vom Hof kein leichter Betriebszweig
Im Meer wird der Fisch immer weniger, in der menschlichen Ernährung hingegen sollte zweimal in der Woche Fisch auf den Teller landen. Die Aquakultur mit der Fischproduktion auf Land scheint eine lohnende Betriebsalternative zu sein. Fast täglich werde die Landwirtschaftskammer Niedersachsen von Bauern kontaktiert, die ohne Vorkenntnisse oder mit nur wenigen, wissen wollen wie das mit der Aquakultur so sei. Das berichtete Fischereiberater Volkmar Hinz von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen auf dem Fachforum Aquakultur der Eurotier in Hannover.
Fisch boomt
1987 wurden gerade einmal 10
Millionen Tonnen Fisch in Aquakultursystemen erzeugt. Heute sind es 62
Millionen Tonnen. Der Fisch nimmt dabei rund die Hälfte ein. 15 Millionen
Tonnen sind Algen, 14 Millionen Muscheln und fünf Millionen Tonnen Krebse im
Jahr. Das Wachstum der Aquakulturbetriebe ist weltweit ungleichmäßig verteilt.
In Europa stagniert es, in Asien boomt es. In Deutschland gibt es etwa 1.050
Haupterwerbsbetriebe und 22.000 Nebenerwerbsbetriebe, die Fische in Aquakultur
halten.
Forellen mit 27.000 Tonnen
und Karpfen mit 16.000 Tonnen sind die Leitfische. In letzter Zeit kommen
Welse, Aale und Störe in rund 40 weiteren Anlagen hinzu.
Teichlandschaften wie in der
Lausitz haben ganze Landschaften geprägt und sind hunderte von Jahren alt. Doch
solche Anlagen wird es neu nicht mehr geben, weil dazu keine Fläche mehr zur
Verfügung steht, so Volkmar Hinz. Deshalb haben sich Anlagen mit einem
geschlossenen Kreislaufsystem entwickelt, die im Freiland, in alten Ställen
oder neuen Hallen Fisch produzieren. Und die werden immer professioneller: Solche Anlagen haben 2002 noch rund 500
Tonnen Fisch im Jahr produziert, heute sind es bereits 1.400 Tonnen.
Aufwendiges System
Das Wasser wird in einen
Kreis gepumpt, in dessen Strömung die Fische stehen. Das kann in offenen ovalen
Becken sein, oder in den runden Tanks, die meist mit der Aquakultur in
Verbindung gebracht werden.
Integriert ist eine
Reinigungsanlage für das Wasser, die Kot und Futtermittel entfernt. Auf
kleinstem Raum wird das Wasser mit Hilfe eines Pumpensumpfes, biologischer Aufbereitung
und Stickstoffausfällung gereinigt und anschließend in einem weiteren
Systemteil wieder mit Sauerstoff angereichert. Zwischen fünf und 15 Prozent des
Gesamtwassers im Kreislauf wird täglich auf diese Weise ausgetauscht. Dazu müssen
auch große Pumpen angeschafft werden, deren Energiebedarf nicht zu
unterschätzen sei, so Hinz. Die Wasseraufbereitung beansprucht bis zu einem
Drittel der Anlage.
Keine „Multikulitanlagen“
Es gebe zwar „Multikultianlagen“,
die für verschiedene Fischarten eingesetzt werden können. Doch Fischereiberater
Hinz rät davon ab. Wer bislang mit Rindern und Schweinen zu tun hatte, der
müsse sich im Klaren sein, dass „Fisch eine andere Dimension“ ist. Die Bauern
brauchen nicht nur Fläche, sondern auch genügend Wasser. Sie sollten sich mit
der Wasserchemie auskennen, dem Lebensraum ihrer neuen Tiere und dabei auch die
Besonderheiten der Fischarten berücksichtigen. Die Landwirte können als
Fischwirte zum neuen Betriebszweig kommen, oder aber mindestens ihren
Fischereischein machen.
Die Fische wachsen unter
Wasser auch nicht von alleine. Natürlich müssen sie gefüttert werden. Damit ihr
Lebensraum aber auch vollständig zur Verfügung steht, muss der neue Fischwirt die
Technik beherrschen. Geht die Pumpe kaputt oder hat der Blitz eingeschlagen,
bleiben dem Bauer nur zehn bis 20 Minuten Reaktionszeit. Der Kundendienst
braucht länger. Also muss der Anlagenbetreiber in der Lage sein das System zu
reparieren. 365 Tage im Jahr.
Vermarktung
Bevor eine Anlage aufgebaut
wird, müsse frühzeitig der Markt sondiert werden. Wer verarbeitet den Fisch,
wer nimmt ihn ab? Feste Lieferverträge sind Voraussetzung für eine
funktionierende Produktion. Die regionale Gaststätte mit Forelle blau auf der
Speisekarte reicht allein nicht aus. Wer Aale will, muss wissen, dass die
Nachzucht weiterhin aus dem offenen Meer kommt. Glasaale aus Aquakultur gibt es
nicht. Eine offene Anlage birgt Probleme. Nach Hinz sind suchen bereits Teichwirte,
die der Kormoran schwer schädigt, Produktionsalternativen in überdachten
Anlagen. Steinbutt ist bei Verbrauchern beliebt – in Portugal und Spanien
stehen jedoch bereits große Anlagen, die den Markt nahezu abdecken.
Wer dennoch einsteigen will,
dem gibt Volkmar Hinz Faustzahlen an die Hand: Für die ersten Erträge brauche
man drei bis fünf Jahre Anlauf. Für Banken ist die Aquakultur Neuland. Sie
zögern bei der Kreditvergabe. Je nach Anlage muss je Tonne Jahresproduktion
zwischen 2.500 und 10.000 Euro investiert werden. Wer also 100 Tonnen im Jahr
ernten will, kommt schnell an die Million – für den Aufwand.
Lesestoff:
Volkmar Hinz ist Mitautor
eines neuen DLG-Buches, das wegen der großen Nachfrage vor einem Monat
erschienen ist: „Fisch vom Hof“ beim DLG-Verlag
Roland Krieg (Text und Foto)