Zwischenbericht Milchmarkt

Landwirtschaft

Bundeskartellamt gibt BDM wenig Hoffnung

Am Montag hat das Bundeskartellamt seinen Zwischenbericht über der Sektoruntersuchung Milch veröffentlicht, zu dem bis zum 01. März die Marktbeteiligten Stellung nehmen können.
Das Amt hat den Milchmarkt auf Grund verschiedener Beschwerden hin untersucht. So haben gleichzeitige Preiserhöhungen nach dem Milchlieferstreik 2008 den Lebensmittelhandel (LEH) dem Verdacht verbotener Preisaussprachen ausgesetzt. Bauern, die ihre Lieferverträge bei ihren Molkereien aufkündeten, fanden keinen neuen Abnehmer und, das ist noch offen, Molkereien haben Beschwerde gegen den Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) eingelegt weil er zum Liederboykott aufgerufen hat.
Der Bericht gibt keinen generellen Freispruch, schiebt aber auch niemandem den Schwarzen Peter zu.

Die wesentlichen Ergebnisse im Überblick:
- Obwohl viele Erzeuger in genossenschaftliche Molkereien integriert sind, ist ein Machtgefälle zu Lasten der Erzeuger festzustellen. Bei genossenschaftlichen Molkereien besteht teilweise ein starkes Spannungsfeld zwischen den genossenschaftlichen Treuepflichten und den Herausforderungen eines liberalisierten Marktes, insbesondere mit dem Auslaufen des europarechtlichen Milchquotensystems.
- Durch die vom Gesetzgeber geschaffenen kartellrechtlichen Ausnahmetatbestände zur Gründung von regionalen Milcherzeugergemeinschaften kann die Verhandlungsposition der Erzeuger gegenüber den Molkereien gestärkt werden. Die Erzeuger nutzen ihre Spielräume bisher allerdings kaum.
- Aufgrund der derzeit praktizierten längerfristigen Milchlieferverträge und der hohen Transparenz über Milchauszahlungspreise und Milchmengen konkurrieren die Molkereien nur eingeschränkt um die Rohmilch. Der weitreichende Datenaustausch kann nicht nur kartellrechtlich angreifbar sein; er nutzt nach den bisherigen Erkenntnissen auch vor allem den anderen, ohnehin stärkeren Marktteilnehmern und nicht den Milcherzeugern.
- Kritisch zu bewerten sind die von verschiedenen Marktteilnehmern geäußerten Forderungen nach bundesweiten Preis- oder Mengenabsprachen sowie marktstufenübergreifenden Kartellen, um den von der Europäischen Union eingeschlagenen Weg der Liberalisierung der Milchmärkte zu umgehen. Diese Initiativen sind weder mit deutschem noch mit europäischem Kartellrecht zu vereinbaren. Sie sind darüber hinaus - auch dies zeigen die Marktermittlungen - am Markt nicht durchsetzbar.
- In seinen Geschäftsbeziehungen zu den Molkereien ist der LEH strategisch erheblich im Vorteil, da die Molkereien nur sehr eingeschränkt über Alternativen für den Absatz ihrer Produkte verfügen. Allerdings unterscheiden sich die individuellen Verhandlungspositionen stark und sind unter anderem von der allgemeinen Marktlage (dem Verhältnis von Angebot zu Nachfrage) und dem Produktportfolio der jeweiligen Molkerei abhängig. Die ohnehin sehr hohe Markttransparenz erleichtert es dem LEH, seine Verhandlungsposition gegenüber den Molkereien durchzusetzen. Hingegen fehlen jedenfalls bislang - substantiierte Anhaltspunkte für ein wettbewerbswidriges Verhalten des LEH: Die bisherigen Ermittlungen ergeben beispielsweise keine belastbaren Hinweise darauf, dass die LEH-Unternehmen die in Verhandlungen erzielten Preisvorteile nicht an die Verbraucher weitergeben.

Kein Markt für die Milch...
Das Kapitel „Rechtliche Rahmenbedingungen“ zeigt auf, dass die Milch keinen wirklichen Markt in der EU hat. „Protektionismus und staatliche Intervention ist in den Bereichen der Landwirtschaft deutlich höher ausgeprägt als in sonstigen Wirtschaftssektoren“, schreibt das Kartellamt. Interventionsregelungen gibt es seit 1968, das Milchquotenregime seit 1984 und Exporterstattungen werden nach Bedarf an- und wieder ausgeschaltet. So unterstützt die Amt den generellen Weg der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) den Landwirt vom „Subventionsoptimierer“ zum marktwirtschaftlich handelnden Unternehmer machen zu wollen.

Noch eine faire Milch
Nach Presseinformationen bietet Lidl zunächst in Bayern eine neue „faire Milch“ an. Bei Frischmilch und Naturjoghurtprodukten der Eigenmarke „Ein gutes Stück Heimat“ bekommen Bauern und Molkereien seit Montag einen Qualitätsaufschlag, wenn sie bestimmte Richtlinien erfüllen. Dazu gehöre die Einstufung in die Güteklasse S, eine Milchviehhaltung im Laufstallsystem oder auf der Weide sowie die Teilnahme am Programm „Geprüfte Qualität in Bayern“. Nach „Spiegel-online“ soll Lidl auch darauf bestehen, dass keine gentechnisch veränderten Futtermittel verwendet werden.

... aber auch kein Pauschalurteil
Das Bundeskartellamt aber auch macht deutlich, dass Pauschalurteile nicht zulässig sind. Wer nur Trinkmilch produziert macht sich abhängiger als derjenige, der mit einem spezialisierten Käsesortiment aufwartet. Auch die Strukturen vor Ort sind entscheidend. So hat der Milcherzeuger in Bayern mehr Ausweichmöglichkeiten seine Milch bei privatwirtschaftlichen oder genossenschaftlichen Abnehmern anzudienen, als der Milchhof in Rügen.
Dort wo kleine Erzeuger- und Produktionsstrukturen vorhanden sind, ist der Milchauszahlungspreis höher. Generell gibt es keine kartellrechtlichen Bedenken gegen Milcherzeugergemeinschaften oder dem Milchboard, da beide Formen eine „ausdrücklich gewünschte Form der Selbsthilfe der Erzeuger“ darstellen. Feste Auszahlungspreise, wie sie der BDM verlangt, werden sich jedoch nicht durchsetzen lassen, so das Kartellamt.

Hier geht es direkt zum Marktbericht des Bundeskartellamts (PDF)

Roland Krieg

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